Als Gast Ankerkraut
Kapitel | Thema | Zeitpunkt |
---|---|---|
Kpt. 1 | Anne, Stefan und die Ankerkraut-Story | 00:13 |
Kpt. 2 | Vertrauen in Familienunternehmen | 07:25 |
Kpt. 3 | Der größte Einschnitt in der Historie | 11:25 |
Kpt. 4 | Steigerung des Warenkorb-Werts | 14:37 |
Kpt. 5 | Das Produktsortiment: Bio oder nicht? | 18:58 |
Kpt. 6 | Warum online der wichtigste Kanal ist | 20:39 |
Kpt. 7 | Frank Thelen und das Personal Branding | 25:30 |
Kpt. 8 | Verteilung der Anteile seit „Die Höhle der Löwen“ | 28:29 |
Kpt. 9 | Der Neid-Faktor und die Disruption | 34:32 |
Kpt. 10 | Mach, was du liebst und mach es anders | 36:50 |
Kpt. 11 | Du musst kein Visionär sein | 42:00 |
Stefan Hamann: Ja Moin, Hallo und Servus bei ‚Dreimal digital‘! Heute mit Anne und Stefan von ‚Ankerkraut‘. Würdet ihr euch einmal ganz kurz vorstellen?
Stefan Lemcke: Ich lasse meiner Frau einmal den Vortritt.
Anne: Hallo, ich bin die Anne, ich bin 41 Jahre alt und zusammen mit meinem Mann haben wir vor sieben Jahren ‚Ankerkraut‘ gegründet, und eigentlich ist Stefan der richtige Gründer, und ich bin nur der ‘Co-Founder’.
Stefan Lemcke: Und ich mache nebenher mal den Rechner aus, weil das gerade geblinkt hat. Das wollen wir ja auch nicht. Mein Name Stefan, ich bin 43, habe ‚Ankerkraut‘ 2014 gegründet. Ich liebe Essen, liebe kochen, liebe dementsprechend auch Gewürze., gerade weil ich die ausländische Küche auch sehr mag. Und so kam dann mit ein bisschen Online-Hintergrund auch die Idee, dass wir das doch machen könnten. Und sind heute ganz glücklich, dass wir den Weg eingeschlagen haben. Haben jetzt mehr als 1000 Leute die bei uns arbeiten, und sind jeden Tag glücklich, dass wir mit und an so einem tollen Produkt arbeiten dürfen.
Stefan Hamann: Toll, dass ihr dabei seid! Dann gehen wir einmal direkt über zu der ersten Frage: Michael, du stehst in den Startlöchern.
Michael: Genau – ich stehe in den Startlöchern.
Stefan Lemcke: Michael Atug ist mit dabei? Dann gehen wir wieder.
Michael: Das sagst du nur, weil ich dir letztes Jahr die Wurst auf Mallorca weggegessen habe! Nein, aber wo ich das gerade sage: Wir haben uns letztes Jahr auf Mallorca getroffen, da hatten wir einen schönen Tag mit den Kindern zusammen. Also zwei Familien haben sich getroffen, da haben wir einen schönen Urlaubstag zusammen verbracht. Ihr wart ja damals schon – sage ich mal – in aller Munde, also es war schon viel um euch los – bekannt geworden bei ‚Höhle der Löwen‘, bei Frank Thelen. Und irgendwie habt ihr so eine sympathische Ader gehabt, man mochte euch irgendwie auf Anhieb. Dann hat auch noch diese Brand echt funktioniert, und irgendwie ist das Ganze immer größer geworden – Stores und so weiter, können wir ja gleich noch mal darüber sprechen. Aber jetzt ist ja ein Jahr um, wo wir uns da gesehen haben, dann kam Corona – gut, andere Geschichte – aber da ist ja doch dann in der Zeit auch einiges wieder jetzt passiert. Also es geht ja immer weiter. Jetzt gibt es das Neueste: Ihr habt ein paar Anteile verkauft. Gar nicht mal so viele, aber für einen ordentlichen Millionenbetrag, den wir gar nicht unbedigt wissen wollen, aber er war wohl zweistellig.
Michael: Also erstmal Glückwunsch von meiner Seite, dass jetzt ein bisschen Kohle in der Kasse ist. Und ja, was hat sich denn so grundsätzlich bei euch verändert? Also ich meine, ihr seid ja auch mal in den Medien zu sehen – es ist schon echt Wahnsinn, was bei euch abgegangen ist. Wie kriegt ihr das alles unter einen Hut? Was ist so abgegangen, seit wir uns jetzt seit einem Jahr gesehen haben? Irre irgendwie, finde ich.
Stefan Lemcke: Also grundsätzlich die Hauptsache, die, seitdem wir uns da getroffen haben, los war, ist wirklich dieser Prozess. Ich muss sagen, der hat uns beide und unsere beiden anderen Chefs auch voll in den Bann gezogen. Übrigens haben wir eins, zwei Wochen bevor wir nach Mallorca gefahren sind, bei denen den Vertrag unterschrieben, dass wir das machen wollen. Das heißt, als du da mit uns saßt, war schon klar, dass wir so ein Prozess anstreben. Wir haben es natürlich aber niemandem erzählt, weil man darüber auch nicht redet – das ist schlecht.
Stefan Hamann: Michael Atug ist doch höchst vertraulich.
Michael: Das stimmt. Das hat sogar Frank Thelen live vor der Kamera gesagt. Nein, alles gut – ist richtig so, über so etwas quatscht man nicht – da bin ich voll bei dir.
Stefan Lemcke: Da fährt gerade irgendjemand los. Wartet einmal kurz. Irgendso ein Motorrad mit ‘Tuning’ Ausbruch. Also fahrt Fahrrad Leute, fahrt große Räder. Also kannst du die Frage noch einmal sagen?
Anne: Naja was sich in den Jahren verändert hat. Also ganz ehrlich Michael, wenn du mich jetzt fragst, kommt es mir natürlich vor, als ob wir uns eigentlich vor zwei Wochen irgenwie gesehen haben und nicht vor einem Jahr. Es ist total viel passiert. Was für uns ein großer Schritt war, dass wir in ein neues Bürogebäude gezogen sind, weil wir wirklich in den letzten Jahren sehr stark gewachsen sind und an dem Standort, an dem wir lange waren, und auch jetzt noch sind, aber keine Möglichkeit hatten, weiter – gerade die Berufskollegen – irgendwo hinzusetzen. Wir haben wirklich auf diesem Gewerbehof – weil wir ja auch selber produzieren – alles angemietet, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Dann hatten wir da ein Büro – da – da – da. Also es war weder schön, noch fördert das die Kommunikation. Und dann haben wir – quasi auch wahrscheinlich so ungefähr vor einem Jahr oder ein bisschen länger – ein Bürogebäude gemietet und haben das jetzt ganz lange umgebaut.
Anne: Und ich habe mir wahnsinnig viele Gedanken gemacht, und das muss jetzt auch mal schön sein, weil bei uns sah es immer aus wie bei einer Versicherung in den Sechzigern oder siebziger Jahren: So ein alter Teppich und Raufasertapete – also wirklich nicht Start-up-‘funky’-irgendetwas – hab mir wahnsinnig viele Gedanken gemacht, und wir wollten einziehen zum 01.04. Ja – dann kam Corona und alle waren im Homeoffice und die einzigen, die eingezogen sind, waren wir beide. Das haben wir uns auch alles irgendwie ein bisschen anders vorgestellt, und alle kamen dann irgendwie peu à peu. Aber bei uns ist es immer so: Dadurch, dass so viel Veränderung ist, ist es gar nicht so greifbar. Das ist ja so ein Prozess irgendwie halt.
Stefan Hamann: Wenn man mittendrin ist auf Hochgeschwindigkeit, dann kriegt man die Geschwindigkeit selber gar nicht so mit, oder?
Anne: Genau. Und jetzt ist es halt wirklich so, dass wir jetzt noch eine neue Immobilie angemietet haben, damit wir jetzt an vier Standorten tatsächlich sind. Also einmal ist das Büro, dann haben wir einen Produktionsstandort und einen neuen Lagerstandort. Corona hat uns tatsächlich noch einmal einen ordentlichen Push nach vorne gegeben und wir haben gemerkt: „Okay, unsere Kapazitäten sind begrenzt – wir schaffen das nicht.” Wir mussten im Versand und in der Produktion eine Nachtschicht einführen – das kannst du aber auf Dauer nicht machen. Im Dreischichtsystem, sodass die Leute sich nicht begegnen, jetzt wegen Corona Abstandsregeln, Reinigungszeiten. Und das Ganze für unsere Leute, was uns ja auch wahnsinnig wichtig ist – bei uns steht der Mensch auch wirklich in dem Vordergrund. Um das ein bisschen einfacher und besser zu machen, haben wir jetzt noch einmal neue Räumlichkeiten angemietet, um das Ganze zu entzerren. Weil wenn wir mehr Platz haben, ist es auch besser oder einfacher, mehr zu produzieren. Wir müssen weniger durch die Gegend fahren und so weiter. Es ist alles total krass, wirklich.
Stefan Lemcke: Jetzt weißt du, wieso ich dich gefragt habe: „Soll ich das alleine machen oder soll Anne mit dabei sein?” (Unv. #00:07:03#)
Michael: Also wirklich – gut, hat jetzt mit dem Business nichts zu tun – aber ihr seid schon ein echtes Traumpaar. Also ich meine, wer euch einmal live erlebt hat einen Tag, wo man sich einfach nicht verstellen kann – ihr seid schon richtig dufte. Also ich habe es irgendwo letztens druntergeschrieben – Ich liebe euch, ihr seid echt toll ihr zwei.
Stefan Lemcke: Dankeschön.
Anne: Süß. Also als du jetzt gerade erzählt hat, dass du das Unternehmen mit deinem Bruder gegründet hast, Stefan, habe ich mir auch gedacht: „Oh den frage ich jetzt erst einmal: „Wie funktioniert das denn so mit seinem Bruder?” Weil das ist ja eigentlich so eine Frage, die wir auch immer gestellt bekommen: Wie funktioniert es denn so als Paar? Stefan, wie funktioniert das denn so?
Stefan Lemcke: „Gut”, sage ich immer, wenn sie dabei ist.
Michael: Und was sagst du, wenn sie nicht dabei ist?
Stefan Lemcke: Nein, das funktioniert ja schon wirklich sehr gut, muss ich sagen. Vertrauen – man weiß, was der andere kann. Der andere weiß, was du kannst. Man lässt sich den Freiraum, und dann ist es eigentlich das Beste, wenn man das hinkriegt. Ich denke mal, das hast du mit deinem Bruder auch, sonst wärt ihr nicht da, wo ihr seid. Dann ist es sehr, sehr gut sogar, dann bringt es etwas.
Stefan Hamann: Es ist genau das, was du beschrieben hast – dieses Vertrauen und dann im Endeffekt auch die eigenen Stärken und Schwächen kennen, weil optimalerweise ergänzt man sich ja und hat nicht zu jedem Thema die gleiche Meinung, sondern durchaus auch mal eine unterschiedliche Meinung und kann sich dann trotzdem aber einigen. Ich glaube, da kann man super froh sein. Wenn man in so einem Modus ist, dann kann das richtig erfolgreich funktionieren.
Stefan Hamann: Ich finde auch ein anderer Punkt, der immer sehr wichtig war … weil so ein Business aufzubauen, wenn ich so an meine Shopmacher Zeiten damals zurückdenke – zum Schluss waren wir auch 90 Leute. Mein Bruder hat zwar nicht mit mir gegründet, aber er war zumindestens mit drin in der Geschäftsleitung. Ich finde es ja immer ganz toll, auch Vertraute einfach zu haben, weil es gibt ja ganz tolle Phasen in so einem Moment, die man dann auch mit welchen teilen möchte. Aber es gibt ja auch mal ganz heikle Phasen, wo man auch einen ganz engen Vertrauten braucht, der das aber auch versteht. Ich habe auch immer noch Uwe – meinen besten Freund, mit dem ich dann immer rede- aber er ist nicht drin. Und wenn du dann natürlich mit meinem Bruder dazu sprechen konntest oder auch mit Thomas, mit dem ich schon in der Schule zusammen gesessen habe – das ist dann einfach noch mal eine andere Sache. Darum kann ich mir auch gut vorstellen (unv. #00:09:18#) Reibungspunkt. Aber ich bin da auch bei dir – es muss halt ein getrennter Aufgabenbereiche sein. Wenn jeder genau dasselbe entscheidet, dann ist auch viel Konfliktpotenzial da.
Stefan Lemcke: Ich wollte sagen, es ist so ein Klischeespruch, aber der stimmt leider eigentlich: „An der Spitze ist es einsam.” Wenn man anfängt und dann die ersten 15 Mitarbeiter hat, dann versuchst du noch, dass du von allen ein Freund bist. Aber du merkst irgendwann, es geht einfach nicht. Man muss schon irgendwie in eine Richtung gehen, die ein bisschen anders ist. Natürlich, wir verstehen uns alle gut, und ich respektiere die Leute auch, aber letzten Endes muss man auch Entscheidungen treffen, die nicht allen Leuten schmecken. Deshalb kannst du auch nicht Freund von jedem sein, es geht einfach nicht, das musste ich hart feststellen. Und dann ist genau das, was du sagst, dass man Leute an der Seite braucht, die 100 Prozent mit dir ziehen. Und es ist dann halt meine Frau oder in unserem Fall jetzt noch Alex und Timo, die auch mit Chefs geworden sind gerade und auch mit Firmeninhaber werden, bei dem Closing jetzt.
Marcus: Ich bin auch ganz froh – mit den Roses gemeinsam haben wir wirklich auch ein sehr freundschaftliches Verhältnis, auch privat. Und das ist ja das gleiche – da kannst du es wieder alles teilen zusammen. Und ich fand diesen Spruch, den du gerade erzählt hast: Genauso habe ich es auch empfunden. Ich hatte das Glück, zweimal eine tolle Firma gründen zu dürfen. Und am Anfang diese ersten 10 – oder von mir aus auch 15 – das ist ja wie so eine Partybude. Alle sitzen und hocken Tag und Nacht zusammen. Und es Ist Familie, Beruf – es ist irgendwie alles in allem gefühlt. Und da muss man, glaube ich – wenn man irgendwann auch mal vielleicht die Fünfziger Marke überschreitet oder so, auch in der Verwaltung jetzt – auch damit leben, dass auch nicht alle Mitarbeiter … Für manche ist es dann auch plötzlich nur noch ein Job, was auch absolut gut und verständlich und richtig ist – gar nicht kritisierend. Aber auch das ist ja nochmal wieder eine neue Gegebenheit. Nicht nur, dass man vielleicht Entscheidungen treffen muss, sondern dass auch mal ein Mitarbeiter, die gefühlt nicht mit der Firma verheiratet sein wollen.
Stefan Hamann: Diese Transformation – wäre aber noch eine Frage von mir gewesen – so aus zwei Personen, am Ende dann, ich glaube mittlerweile 120 Mitarbeiter zu machen – das ist ja schon ein gewaltiger Schritt. Da kann man sich auch vorstellen, was seit 2013 da jedes Jahr an Wachstum dazugekommen ist. Was glaubt ihr denn: Was war so die stärkste Veränderung eigentlich in eurer Gründerrolle im Vergleich zu früher? Was ist euch wirklich schwergefallen aufzugeben und wo seid ihr vielleicht auch froh, dass Verantwortung, sozusagen, in andere Hände gegeben werden konnte? Habt ihr da ein paar Ansetze, oder?
Stefan Lemcke: Das ist eine gute Frage. Die kriegen wir so nicht so oft gestellt. Deshalb muss ich mal kurz überlegen.
Anne: Es ist auch nicht so einfach zu beantworten, weil wir immer wieder merken, dass wir in den Prozessen oder operativen Tätigkeiten gar nicht mehr so tief drin sind. Unsere Aufgaben haben sich mittlerweile gewandelt. Wir haben, wie Stefan gerade gesagt hat, zwei Geschäftsführer – Timo und Alex – die machen das total super. Und unsere Aufgabe: Stefan ist eher der Visionär, der schaut: „Okay, wo liegen jetzt potenzielle neue Märkte oder was sollten wir machen?” oder was auch immer. Aber im Endeffekt, wenn man es dann einmal runterbricht … Und wir haben zum Beispiel irgendwie einen Sonntagabend, und wir gucken irgendwie so „Okay, wie ist der Umsatz oder wie war das Wochenende so?” Dann sitzt Stefan doch da und guckt Sonntag Abends in das Postfach vom Kundenservice und liest jede einzelne E-Mail. Da gibt es fünf Strukturen darunter, ja? Das ist so Mikromanagement, was wir eigentlich sagen, was wir nicht mehr machen sollten. Aber auf der anderen Seite, muss man natürlich wissen: Was bewegt denn den Kunden jetzt gerade? Und das kannst du nicht nur über Social Media – viele haben vielleicht gar kein Facebook oder Instagram oder wissen gar nicht, wie sie da interagieren sollen.
Stefan Lemcke: Ja, wenn du die Kollegen auf dem Bereich fragst, die sagen dann: „Oh, es ist alles super, da ist nicht los.”
Michael: Wisst ihr was ulkig ist? Ich mache am Wochenende selber noch unsere E-Mails. Und ich sage euch ganz ehrlich – ihr wisst ja noch, ich war einmal bei euch und wir haben einen kleinen Kurs gemacht zu dem Thema „Umgang mit schwierigen Kunden” und so für zu euer Team. Und da ist es genauso. Ich gucke mir die an und ich gucke mir die nach wie vor gerne an. Na klar gehen die mir manchmal auf den Keks, aber dann spüre ich halt – ich bin im Thema, und ich weiß auch noch, worüber ich rede. Wenn du dann da rausgehst, dann bist du einfach nicht mehr im Thema. Und ich glaube, das ist der ganz große Unterschied.
Marcus: Ich verkaufe tatsächlich einmal im Monat – manchmal schaffe ich es zweimal – in einer unserer Filialen mit. Und das finde ich persönlich wirklich genial so dicht mit dran zu sein und auch noch zu spüren, welche Fragen die Kunden auch zu so einem Rad stellen. Also es ist ja … der eine Experte, der hat so tiefe Fragen, aber für die Nichtexperten – wie schwierig das ist oder wie man ein Fahrrad auch erklären muss. Und das hilft wieder mit auf E-Commerce zu übertragen oder, oder. Oder auch mit den Verkäufern allein auf Augenhöhe sprechen zu können auf so einem Kasten erklährt. Aber sagt mal, ihr müsst es mir mal verraten: Wie schafft man das denn, wenn man … eure Produkte, was kosten die im Durchschnitt? Fünf, sechs Euro? Wie schafft man es, einen durchschnittlichen Warenbon von 40 Euro damit hinzubekommen, das ist ja sensationell!
Stefan Lemcke: Also, eigentlich ist der Warenkorb das Jahr über ein bisschen niedriger, der liegt bei etwas über 30 Euro. Das hängt wahrscheinlich zusammen mit unserer Versandkostenfreigrenze von 30 Euro. An Weihnachten machen wir dann sehr viel Adventskalendergeschäft, die kosten bis zu 150 Euro und dadurch geht dann der Warenkorb im Jahresmittel auf circa 40 Euro hoch. Ja, und wie macht man das? Man macht ‘Cross-selling’, erklärt den Leuten in Rezepten, was sie machen können, bietet Sets, Bundles an. Ich weiß gar nicht genau – was machen wir noch alles?
Anne: Naja: „Wenn du dies gekauft hast, passt das da, interessiert dich das vielleicht auch noch ganz gut?” und so weiter.
Stefan Lemcke: Ich weiß ja nicht, ob das schon implementiert ist, habe ich noch nicht geguckt gerade … Wir wollen so ein ‘Incentive Programm’ machen. Also das man ‘Coins’ kriegt und das bringt dann ja auch wieder einen bisschen höheren Warenkorb. Natürlich, das kennt ja jeder, der E-commerce macht: Der Warenkorb muss möglichst groß sein. Gut, wenn du jetzt mit Fahrrädern handelst, wo die Leute durchschnittlich genau ein Fahrrad kaufen – da ist es schwierig, aber in so einem Shop mit vielen Artikeln, so wie wir haben … viele Streuartikel sage ich mal oder kleinere – da tricks du halt. Das ist einerseits ‘OnPage’, also auf dem Shop, aber auch wirklich ‘OffPage’. Das wir Rezepte schreiben, und da sind dann drei Sachen drinnen, und dann muss sich der Kunden diese drei Sachen kaufen.
Stefan Hamann: Da eignen sich Gewürze, denke ich, auch ganz gut, oder? Weil das ist ja dann häufig auch so: Wenn man dann im Shop ist und sucht vielleicht irgendetwas für (unv. #00:16:36#) oder Grillen und sieht dann eben: „Ach, da gibt es ja das noch und jenes noch. Also kann ich mir gut vorstellen, dass das deutlich einfacher ist, als andere …
Stefan Lemcke: Das ist halt ein Traum, wenn du jetzt zum Beispiel … (unv.) Uhren … Es geht doch keiner in einen Shop und kauft sich dann drei verschiedene Uhren – eine in Rosa, eine in Gelb und eine in Blau, sondern der kauft sich dann eine Rolex, eine Swatch oder eine G-Shock, oder wie die Dinger auch immer heißen. (unv.) Da ist das Produkt auch wirklich dankbar, weil jeder kann es gebrauchen, und jeder kann auch mehr als eins davon gebrauchen. Es gibt den Griller, der kauft dann Salz und Pfeffer und drei, vier verschiedene Wraps. Es gibt aber auch den Menschen, der irgendwie Küche macht, er kauft sich dann Mischungen. Dann gibt es Leute, die gerne selber Gewürzmischung herstellen oder selber frisch mit Gewürzen kochen die kaufen dann Sternanis, Nelken und Zimt. Das Feld ist riesig groß.
Anne: Ja, oder auch Kunden, die das als Geschenk haben oder so. Wir haben ja gemerkt, dass unser Produkt, also Gott sei Dank, auch als Geschenk angenommen wird. Also wenn du irgendwo zum Essen eingeladen bist, bringst du nicht mehr eine Flasche Wein mit oder Blumen, sondern du schenkst Ankerkraut und dann denkst du: „Da kann ich ja nicht nur eins mitbringen, dann muss ich ja einen Dreierset nehmen, als Beispiel: Salz, Pfeffer und noch irgendwie etwas.
Stefan Hamann: Verkauft ihr denn fertige Geschenkboxen auch?
Stefan Lemcke: Ja, war auch ursprünglich mal gedacht als Geschenkemarke eher. Weil wir gedacht haben: Wer kauft sich das denn, dass er damit kocht? Und dann haben wir gemerkt: „Oh doch auch einige Leute.”
Anne: Also wir haben auch wirklich sehr viele Sets und wir sind auch wirklich auf unterschiedliche Zielgruppen ausgelegt: Etwas für Männer, etwas für Frauen, etwas für Kinder – also wir haben wirklich alles.
Stefan Lemcke: Obwohl ich sagen muss mein Gewürzverhalten ist auch anders geworden in den Jahren: Ich benutze wesentlich mehr als früher. Vielleicht liegt das daran, dass man das selber herstellt. Aber auch so die Leute, mit denen ich rede – da sehe ich das auch, die machen das auch – früher war ich so: „Immer nur ein paar Tröpfchen”. Heute: „Rauf damit!” Die Sachen, die wir haben, da ist auch meistens wenig Salz drin. Das heißt, man kann viel Gewürz benutzen, das ist natürlich gut. Weil A. schmeckt das gut, weil da viel gutes Gewürz drin ist, aber B. es ist dann auch für uns ganz gut, weil das auch irgendwann alles …
Stefan Hamann: Eine Frage zum Produktsortiment, und zwar habe ich heute morgen gesehen, dass – ich weiß nicht, ob es eine neue Kategorie ist, ich glaube ja – also dass ihr bio Gewürze habt: praktisch Gewürze, wo ein Biolabel dran ist. Ich als Laie, ich habe wirklich – verzeiht mir die Frage, vielleicht ist sie dumm – aber ich habe mich gefragt … Also ihr schreibt, ihr verwendet auch keine Zusatzmittel und keine Geschmacksverstärker. Sind die da nicht sowieso bio? Was unterscheidet das Biogewürz von dem Gewürz, was ihr ohnehin anbietet, habe ich mich gefragt?
Stefan Lemcke: Also wir haben in der Tat auch immer schon bio, aber nicht nur, sondern wir haben auch konventionell … Und du kriegst ganz schwer … Wir haben 200 Rohstoffe und die alle in bio zu bekommen – da sind wir jetzt gerade dabei, und das ist richtig schwierig. Also da muss man teilweise dann auch im Ausland irgendwie einkaufen. Und ich sage mal 95 Prozent von der Landwirtschaft sind halt nicht bio. Da wird dann auch mal das Feld gedüngt. Da wird auch mal, wenn da ein Pilz kommt oder ein Käfer – wird da auch mal etwas gemacht gegen – das ist halt einfach so.
Anne: Gerade in so Ländern auch.
Stefan Lemcke: Und dann kommt ja noch dazu, dass du nicht genau weiß, was in so einem Land ist. Wir kaufen auch viel Ware ein von Kleinbauern, und die haben halt kein Biolabel. (unv. #00:20:28#) Biolabel draufmachen – das geht nicht.
Stefan Hamann: Das könnt ihr also im Prinzip nur machen, wenn einwandfrei geklärt ist, dass alle Inhaltsstoffe sozusagen auch von der Lieferkette her hundertprozentig den Biolabel auch haben.
Marcus: Ich habe mal eine Frage – eigentlich habe ich zwei – und zwar grundsätzlich: Ihr verkauft ja ungefähr 50 Prozent oder ihr erziehlt 50 Prozent eures Umsatzes über den Facheinzelhandel – habe ich irgendwo gelesen.
Anne: Falsch.
Stefan Lemcke: 50 Prozent online. Also über 50 Prozent online und die restlichen 40X Prozent teilen sich auf in Fachhandel, Lebensmitteleinzelhandel, B2B-Geschäft und unsere eigenen Stores.
Stefan Hamann: Und was ist denn die Zukunftsperspektive? Online weiter Gas zu geben oder über andere … ?
Stefan Lemcke: Ganz klar – online ist für uns der wichtigste Kanal. Hast du den Kunden, hast du alle Daten. Bei 8,5 von 10 Leuten kriegst du sogar Cookies – wie ihr wahrscheinlich auch wisst, diese ‘Consenttools’. Lebensmitteleinzelhandel ist natürlich letztendlich das, wo die richtige Power auch drinsteckt. Aber ich meine, wir machen auch schon ganz gute mittlere achtstellige Umsätze.
Anne: Aber es ist uns ja auch total wichtig, darum haben wir uns auch so breitbeinig aufgestellt.
Stefan Lemcke: Der Lebensmittelhandel ist toll und gut, und wenn man hypergroß wachsen will, also wenn wir jetzt 300 Millionen Euro Umsatz in Deutschland machen wollen, funktioniert das nur im Lebensmitteleinzelhandel. Da muss der ganz große Bärenanteil davon kommen. Aber wir sind ganz froh, wie das im Moment ist. Der Laden wächst weiter, es funktioniert alles gut, und wir sind halt nicht abhängig. Wenn wir jetzt unter Druck gesetzt werden würden, können wir einfach sagen: „Machen wir nicht mehr.“
Michael: Und das ist das Geile bei euch – wir haben letztes Jahr auf Mallorca darüber ausführlich gesprochen – ihr hattet ja von Anfang an immer diese Strategie gehabt zu sagen: „Wir wollen uns nicht von irgendeiner Stelle geißeln lassen – wir stellen uns so breit auf, wie es geht”. Was Anne auch gerade gesagt hat. Und ihr seid ja auch immer mein Paradebeispiel dafür, wie man es richtig macht, weil ich ja auch immer draußen prädige: „Mach‘ Multichannel, mach‘ Multichannel, mach‘ Multichannel. Probiert einfach alles, macht alles!” Und da seid ihr ja wirklich absolut genau mein Vorzeigeobjekt – ihr macht wirklich alles, ihr versucht alles, ihr macht alles. Wenn ein Zweig wirklich mal wegbrechen sollte, dann: „Aua!”, aber du brauchst kein Pflaster.
Stefan Hamann: Und gibt es bei den Kanälen eine klare Präferenz? Ich meine von der Logik her mit Sicherheit – du hast ja gesagt – am liebsten im eigenen Shop, weil dann habt ihr mehr Kundenwissen und so weiter und so fort, aber wenn man sich theoretisch die Umsätze aus der Vogelperspektive anschaut, ist dann ein Kanal da, wo ihr sagt: „Da kommt der meiste Umsatz” oder verteilt sich das relativ gleichmäßig zwischen Amazon und eBay … ?
Stefan Lemcke: Also der Online-Shop macht definitiv den meisten Umsatz. Den meisten Absatz stückzahlenmäßig macht der Lebensmitteleinzelhandel, aber da haben wir noch einen Vertrieb zwischengeschaltet. Also wir verkaufen die Ware an jemand anders und der verkauft die an den Supermarkt und der Supermarkt verkauft die an den Endkunden. Das heißt – da verdient jeder mit. Das ist natürlich für uns nicht so margenträchtig, aber hohe Stückzahlen. Amazon kommt hinter unserem Online-Shop – ist auch ein guter Kanal. Etwas mehr Abzüge – klar, ich meine, das weiß jeder. Die machen aber dafür auch das komplette Marketing selber. Stimmt auch nicht – auch da muss man ja Werbung heute machen, aber den Großteil des Marketings – die Leute auf die Plattform holen – machen die ja selber.
Michael: Bei Amazon seid ihr ‘Vendor’ oder?
Stefan Lemcke: Wir machen beides. Wir machen ‘Marketplace’ – ist ungefähr ein Drittel, und zwei Drittel Vendor.
Stefan Hamann: Seid ihr auch auf eBay vertreten oder nicht?
Stefan Lemcke: Wir fangen gerade an, also haben wir lange Zeit nicht gemacht. Ich weiß ehrlich gesagt gerade gar nicht, wieso. Wir haben immer wieder gesagt (unv. #00:24:44#) Du hast das immer gesagt, oder?
Anne: Ich habe das immer gesagt. Und zwar wegen Michael. (Unv. #00:24:52#) Und dann auch immer so lese (unv. #00:24:55#). Aber ich kann dir sagen, warum wir das nicht gemacht haben: Weil wir einfach so viel zu tun haben und dafür Kollegen brauchen. Das muss ja manpowermäßig, und zwar nicht nur vorne raus, sondern hinten raus … Wenn du selber produzierst … Das ist schön, wenn man sich jetzt irgendwie eine Aktion nach der nächsten überlegt. Aber es muss ja auch alles irgendwie machbar sein.
Stefan Lemcke: Wir hatten Warenverfügbarkeitsprobleme Anfang des Jahres. Also wirklich.
Michael: Da muss man eben dann die richtige Strategie finden. Aber ihr wisst ja, ihr habt ja meine Telefonnummer. Sagt einfach Bescheid!
Marcus: Was ich übrigens ein ganz spannendes Thema finde im Augenblick: So in der Business Welt diskutiert man immer häufiger dieses Personal Branding und ich meine, ihr legt das ja in Perfektion, wenn man sich bei euch Instagram anguckt – ich weiß gar nicht wie es bei euch auf Facebook aussieht – aber zumindestes da ist mir auch aufgefallen, dass ihr eure Familie komplett mit integriert, ihr selber. Ich meine früher war einer der wenigen der Personal Branding gemacht hat die GEMA, und das war eigentlich der HIPP, der sagte: „Hier stehe ich mit meinem Namen für”. (unv.) Wie seht ihr das, wenn ihr so auf die Zukunft schaut? Sagt ihr: „Das hilft uns jetzt eigentlich schneller so ein persönliches Feeling dem Kunden zu geben, eine neue Wertigkeit ihm geben und möchten wir aber auf Dauer das Brand ‚Ankerkraut‘ oder Personal Branding immer weitermachen?” Bleibt das erstmal der wichtigste Bestandteil neben der guten Qualität? Wie sind da eure Gedanken?
Stefan Lemcke: Darüber sprechen wir viel.
Anne: Sprechen wir sehr viel darüber. Also, ich kann dir ja einmal erzählen, wie es dazu gekommen ist: Und das ist tatsächlich durch Frank Thelen und durch unseren Auftritt in der Höhle der Löwen. Der hat zu uns gesagt, als es dann Richtung Ausstrahlungen ging – also quasi jetzt ungefähr vor vier Jahren – hat er zu uns gesagt: „Man, ihr wart so sympatisch, das war ein super Pitch und wir müssen jetzt eure Gesichter auf das Display für einen Supermarkt machen.” Und wir so: „Ja genau, ist klar … Machen wir auf gar keinen Fall !” Dann hat er aber gesagt: „Ja, aber überlegt doch mal: Menschen können sich die Gesichter besser merken und Menschen kaufen gerne von Menschen, also die möchten gerne wissen – wer steckt denn dahinter? Wenn ich jemanden nett finde, dann kaufe ich das im Zweifelsfall eher.“, und so kam das.
Stefan Lemcke: Ja, und jetzt ist immer wieder genau das bei uns Thema: „Nehmen wir uns da raus oder nicht?“ Wir sind ja auch nicht – ich meine man sieht das, ich werde langsam grau – wir sind jetzt auch nicht mehr die jungen, frischen, hippen supersportlichen Testimonials, sondern wir werden langsam auch alt und grau und wir entwachsen der Zielgruppe ein bisschen. Um ehrlich zu sein: Wir sind da noch nicht zum letzten Schluss gekommen. Also jetzt, gerade weil diese ganze Nummer mit viel Presse und Firmenanteileverkauf und so war. Jetzt gerade haben wir gesagt: „Wir mischen uns da wieder ein bisschen ein und zeigen wieder etwas mehr das Gesicht.“ Aber irgendwann ist auch Ende. Also ich kann das ja nicht ewig machen. Wir können das ja nicht ewig machen.
Stefan Hamann: So wahrscheinlich dann auch mit Familie und so einfach auch ein Zeitthema oder? Kann ich mir vorstellen.
Stefan Lemcke: Klar.
Michael: Und ihr seid echte Familienmenschen. Wer euch kennt und wer euch auch folgt von mir aus – der sieht das, der merkt das auch, der spürt das und dann ist natürlich schon klar, dass ich euch darüber Gedanken macht. Stefan, du hast gerade kurz noch das Thema Anteile angesprochen. Ihr haltet aber jetzt noch die Mehrheit der Anteile, oder?
Marcus: Auf jeden Fall noch viel mehr als Frank und der neue Investor und der dritte, es gibt ja noch einen, oder?
Stefan Lemcke: Also wir waren zu dritt: Matthias Knellmann und Frank Thelen – also Freigeist – sind bei der Höhle der Löwen reingekommen. Das waren einmal 20 Prozent, einmal 10. Wir hatten 70. Jetzt haben wir 19 Prozent verkauft, Frank glaube ich 8, Matthias 4 und das Ganze teilt sich auf – das sind dann ungefähr 30, und diese 30 Prozent gehen dann eben … 20 Prozent geht dann an EMZ und jeweils fünf Prozent gehen an unsere beiden Geschäftsführer Alex und Timo, die davor Esop hatten – ich weiß nicht, ob ihr Esop kennt – also eine Beteiligung, die werden wir um Zuge des Closings auflösen. Und von dem Gerät, was wir ausgeschüttet kriegen aus der Firma, kaufen sie sich dann in die neue Firma ein, in die Holding. Und die Private Equity-Firma EMZ ist ein relativ großer Private-Equity-Fonds aus Frankreich, die machen das genau so aus diesem Grund, weil die immer wollen, dass das Management maximal incentiviert ist, die sagen: „Die Leute, die hier die Firma führen, die müssen mit an Bord sein, die müssen wirklich incentiviert sein, dass die Firma wächst, größer wird und sich gut entwickelt.“
Stefan Hamann: Aber war wahrscheinlich ein Schritt über den ihr lange nachgedacht habt oder, ist euch das ganz leicht gefallen?
Stefan Lemcke: Nein. Super schwer, super schwer. Das war einerseits aus einem privaten Grund – Krankheit – bei mir in der Familie, wo ich gesehen habe, dass das Leben schneller um sein kann als man gucken kann. Und da haben wir vor anderthalb, zwei Jahren die Entscheidung getroffen, dass wir nicht die Firma verkaufen wollen, aber wenigstens ein bisschen Geld von dem Tisch nehmen wollen. Also einfach mal Sicherheit für uns und die Kinder, hauptsächlich für die Kinder. Weil im Grunde genommen: Der Wert war ja auch schon da, also ich meine die Firma ist ja da, man muss es dann nur umtauschen gegen Geld. Das ist nicht so einfach, ja. Aber der Wert war ja da und es konnte ihn aber keiner heben. Und wenn ich dann gegen die Wand fahre, dann ist der Wert halt auch ein bisschen weg – dann wird es schwieriger zu sagen: „So, jetzt verkaufen wir Firmenanteile.”
Anne: Für uns hat das auch ganz persönliche Gründe, guckt mal – das Thema hatten wir ja gerade – wir sind ein Ehepaar, wir haben zwei Kinder, also wir haben auch Verantwortung und als wir das gemacht haben, Ankerkraut zu gründen, haben wir wirklich unser komplettes Erspartes da reingesteckt, und das war ein Wagnis. Und das hat Gott sei Dank auch wirklich geklappt und wir sind auch super stolz und total glücklich darüber. Aber wir haben halt auch einfach gemerkt durch eine Krankheit bei uns im Familienfall, wie endlich das Leben doch irgendwie ist. Und das war für uns in dem Moment jetzt der richtige Schritt, um halt für die Kinder … Wir brauchen gar nichts, ganz ehrlich, wir sind wirklich so sehr – das hat Michael ja wahrscheinlich auch festgestellt – wir sind ja eher schon so die bodenständigen Leute irgendwie.
Michael: Absolut. Gebt Stefan ein Stück Fleisch und er ist glücklich.
Anne: Ja, und auch Gemüse sehr gerne. Aber wir haben alles, wie wir brauchen. Wir drehen jetzt nicht durch und machen jetzt was weiß ich was.
Stefan Hamann: Aber es ist ja auch ein absolut nachvollziehbarer und auch vernünftiger Schritt.
Stefan Lemcke: Ich will es ja jetzt auch nicht auf die Investoren unbedingt schieben und sagen: „Die bösen Investoren haben uns gezwungen, dass wir das machen.” Aber wir haben zwei VCs mit an Bord, also Leute die Geld in eine Firma geben damit sie das irgendwann wieder rausholen. Das war utopisch für uns, dass wir denen die Anteile wieder abkaufen, weil die Firma einfach zu viel Geld Wert war. Und deshalb haben wir dann gesagt: „Komm.” Dazu kamen dann auch noch dauernd irgendwelche Briefe an von irgendwelchen MNA-Firmen, die gesagt haben (unv. #00:33:00#). Ja, und wir haben dann irgendwann gesagt: „Komm, lasst uns das jetzt machen.“ Wir haben uns ein neues Ziel ausgedacht, nämlich dass wir irgendwann an die Börse gehen, wenn das Ding hier noch ein bisschen größer wird und dahingehend richten wir jetzt auch die Firma aus. Und dann sind wir heute mit sechs oder sieben Leuten am Tisch – sind wir für ein Börsenunternehmen noch relativ unfraktoriert, also wenigen Aktienhalter.
Stefan Hamann: Wann plant ihr denn einen potenziellen Börsengang? Wisst ihr das schon, oder ist das noch ganz weit weg?
Stefan Lemcke: Nein. Das ist mein Traum. Ich möchte das gerne. Ich hätte das gerne auch. Ich finde das auch toll für die Mitarbeiter, wenn man dann irgendwie Optionen rausgeben kann, das ist schon auch etwas anderes, als wenn man eine GmbH hat, und dann Esop – ist so ein bisschen doof. Ich bin der Meinung, dass alle Leute die im Unternehmen arbeiten irgendwie mitprofitieren sollen. Ich bin allerdings auch nicht bereit – muss ich auch ganz ehrlich sagen – dass ich irgendwie meine Anteile weggebe. Da sollen die Leute auch ein bisschen arbeiten für uns. So etwas funktioniert halt mit einer AG einfach viel, viel besser. Ich will nicht einfach nur eine AG sein, sondern ich möchte auch gerne an die Börse. Also es ist schon irgendwie so ein ‘Bucket List’-Ding, was ich gesagt habe: „Das möchte ich einmal machen”.
Stefan Hamann: Auf jeden Fall ein spannender Ansatz.
Michael: Hoffentlich redest du dann noch mit mir.
Stefan Lemcke: Wenn du Aktien kaufst – ja. Du wirst genau eine kaufen, dann kannst du genau einmal im Jahr mit mir reden.
Michael: Dann ist sehr gut. Aber da fällt mir gerade ein – darüber haben wir ja auch kurz gesprochen – das ist ja auch wieder das Thema mit dem Neidfaktor. Das ist natürlich auch krass. Ihr habt natürlich da echt jetzt Kohle rausgeloppt und habt ja auch noch viele Anteile, was auch viel Geld Wert ist und da steht ihr dann natürlich auch wieder im Fokus von manchen Leuten, die das dann eben nicht so cool finden.
Anne: Aber weißt du was – (unv. #00:34:59#) echt gut. Muss man wirklich wirklich sagen, wir haben wirklich ganz viel tolles, positives Feedback bekommen, wirklich. Dass ganz viele Leute (unv. #00:35:10#)
Stefan Hamann: Das glaube ich auch. Es ist ja ein riesen Unterschied. Ihr seid ja super bodenständig und super sympathisch.
Michael: Von mir nicht! Ich habe dem Stefan gesagt ich wäre neidisch!
Stefan Lemcke: Jetzt warst du so nett zu mir – jetzt muss ich auch mal ein bisschen Dampf ablassen. Wir halten uns da komplett raus, wenn wir die Kommentare sehen. Aber manchmal ärgere ich mich darüber schon. Heute Morgen habe ich was gelesen, wie: „Ja, jetzt kommen die hier mit irgendeiner alten Idee und ziehen bei den Investoren das große Geld ab. Und die jungen, innovativen Unternehmen gucken in die Röhre und kriegen davon nichts ab.” A. es ist so viel Kohle auf dem Markt. Wenn du eine gute Idee und ein gutes Unternehmen hast, kriegst du auch Geld – fertig. Bin ich überzeugt von. Und B. „Mann, ich war doch einfach nur fleißig und habe ein ordentliches Unternehmen aufgebaut.“
Anne: Aber das weißt du, das sind aber keine Sachen, die die Leute dir ins Gesicht sagen würden. Das ist dann halt die Anonymität des Internets – da ist schnell irgendwie so etwas geschrieben.
Stefan Hamann: Du hast einfach in Deutschland so eine gewisse Neidkultur, das kann man nicht wegdiskutieren. Ich glaube, darüber ärgert man sich – kann ich total gut nachvollziehen – aber ich glaube, da muss man dickes Fell kriegen.
Michael: Aber wisst ihr, was ich richtig geil finde? Du hast gerade so etwas Cooles gesagt, weil ich habe ja auch den Podcast, mit dem Phillip mir angehört und da geht es irgendwie in einem Moment um Disruption. Also wann macht denn jetzt Ankerkraut so toll, oder warum sollte man Ankerkraut und so? Und da habe ich mir so gedacht: „Wow!” Weil es zeigt eigentlich nur eine Sache: Ihr habt ja jetzt nichts erfunden, was es nicht gab, oder Irgendwie ist es jetzt nichts, was man haben muss, theoretisch gesehen. Aber es zeigt einfach eine Sache: Nämlich dass du eigentlich nicht kopieren sollst, sondern einfach gucken musst: „Was ist denn vielleicht da, was vielleicht eine schöne Sache ist, aber die einfach überhaupt nicht vernünftig bespielt wird. Ich meine, guck dir doch einmal an, bevor ihr da wart: wie heißt er Fuchs oder so, gehst du in den Edeka – diese Plastikdöschen – da habe ich doch schon gar keinen Hunger mehr, wenn ich da das Zeug aus dem Ding rauskippe. Und ich fand das so spannend, da muss man gar nicht von irgendwas Coolem reden oder Disruption oder was weißt ich was. Sondern das ist eigentlich: Du guckst – was ist cool, was macht mir Spaß? Und es war jetzt nicht so, dass du jetzt gesagt hast: „Ich bin jetzt der mega Gewürztyp.” sondern du hast irgendwie für dich gesagt: „Mensch, das wäre was, das könnte ich bestimmt.” Und hast das Produkt einfach geil gemacht. Und davor ziehe ich den Hut. Das muss man ganz klar sagen. Und es muss nicht immer das riesen Ding sein.
Stefan Lemcke: Das ist ganz lieb. Ich finde, Disruption – das Wort für das, was wir machen, finde ich jetzt ein bisschen übertrieben, das ist es nicht – disruptiv ist vielleicht unser Vertriebsweg, den wir einfach gehen. Aber eigentlich muss man das doch als Gründer nehmen und sagen: „Ey, du kannst aus Sch..* Gold machen. Guck‘ doch, geh doch in den Supermarkt, geh in den Baumarkt, was weiß ich. Geh hin und guck irgendwie ins Regal und sage: „Warte mal, das ist seit 50 Jahren genau so – wieso eigentlich?” Das kann man ein bisschen anders machen oder guck‘ mal Tesla an: Das sind auch nur Autos, die sehen aus wie normale Autos, die fahren auch wie normale Autos – die Batterie ist ein bisschen besser, und da sagt jeder: „Das ist das disruptivste Unternehmen der Welt.” Er hat ja auch eigentlich auch nur irgendetwas Altes gemacht und hat sich mal überlegt, wie man das neu machen will. Ich will mich jetzt nicht vergleichen mit Elon Musk – also Gott bewahre, ich bin viel besser als er! (unv.) Nein, aber ich bin überzeugt davon, und das ist doch auch etwas Gutes. Und wenn man jetzt die Welt verbessern will oder so, und das will ich auch, und das werde ich auch irgendwann, aber leider musst du davor einfach normale Hausaufgaben machen und irgendetwas machen womit du Geld verdienst. Und das haben wir gemacht und das tun wir gerade. Und in keine Ahnung – heute oder in fünf Jahren oder in zehn Jahren – kann ich mein Geld nehmen und kann dann mit irgendetwas anderes machen noch zusätzlich, wo ich dann meine Träume, meine sozialen Träume oder der Natur helfen, oder was weiß ich.
Michael: Oder eine Schule in Afrika bauen!
Anne: Machen wir ja.
Michael: Ich weiß, meine Frau folgt euch ja auf Instagram, finde ich übrigens sehr cool. Wobei da hast du wieder den Bezug nach Afrika jetzt zum Stefan. Aber das führt jetzt zu weit. Aber sehr coole Aktion, ja.
Anne: Aber was ich dazu noch ganz kurz sagen wollte: Ich glaube, der Kunde merkt schon sehr genau, ob man wirklich mit dem Herzen dabei ist oder ob das rein: „Wir machen jetzt ein schlaues BWL-Studium.” – also nichts gegen BWL, aber ihr wisst, was ich meine – „Ich schreibe meinen Businessplan und womit kann ich den bestmöglichen Exit in fünf, sechs Jahren, bevor ich 30 bin, irgendwie machen?“ Und ich glaube, wenn man wirklich an etwas glaubt und etwas liebt und etwas wirklich vom Herzen kommt und das ist bei uns so – wir lieben das wirklich und wir stehen total dahinter und finden das total super, was für Produkte und was für tolle Kollegen wir haben: Der Kunde merkt das!
Stefan Hamann: Das strahlt ihr auch komplett aus. Das kann man total deutlich merken, finde ich, das ist ein riesen Unterschied.
Stefan Lemcke: Das ist lieb, danke. Dem muss ich dir Anne aber leider widersprechen, weil ich glaube schon, wenn man da so rein aus der Business-Kaufmann-Seite guckt und sagt: „Ich gucke mir die Margen im Markt an, ich gucke mir an was es da für Player gibt und dann überlege ich mir was.” Das kann auch gut funktionieren. Da will ich den Leuten auch nicht den Mut nehmen, das soll man auch machen. Aber wenn du den Luxus hast, so wie wir und etwas machst, worauf du auch echt richtig Bock hast, dann ist das Ganze natürlich noch ein bisschen einfacher. Mir fällt das überhaupt nicht schwer, die ganze Nacht zu arbeiten, weil ich das einfach liebe. Und wenn du das Glück hast, dass du ein Produkt machen darfst, worauf du auch noch stehst … Und ich hoffe, dass ihr auch gerne Fahrrad fahrt und du gerne Shopsysteme baust und Michael gerne bohrt, oder sägt oder hämmert. Wenn du machst, was du liebst, dann ist es ja auch keine richtige Arbeit. Und dann ist der Erfolg sowieso schon ein bisschen einfacher. Aber auch das (unv. #00:41:23#) funktioniert auch.
Marcus: Ich muss dir widersprechen. Du hast in allen Punkten Recht die du zum Schluss gesagt hast, aber ich finde – ich muss deiner Frau Recht geben – ich bin Betriebswirt und finde ehrlich gesagt, ich habe alles in meinem Leben gelernt. Das war toll, was ich da gelernt habe, dass man irgendwas nachgucken kann. Ansonsten, finde ich auch keine großen Studien. Ich glaube, was wichtig ist, weil jeder Markt ist per se groß genug – der ganze Gewürzmarkt ist schon verteilt, der ganze Fahrradmarkt ist verteilt, der Shopmarkt ist verteilt, der Werkzeugmarkt ist verteilt – von daher bringt die Studie nichts, außer dass du sagst: „Der Markt ist groß genug, es gibt genügend Kunden und es gibt genügend Anbieter. Und darum muss man auch gar kein Visionär sein – du musst eigentlich nur intelligent verschiedene … Wenn du sagst: „Der eine macht das gut, der andere macht das gut, der andere macht jenes gut – es muss auch gar nichts sein, was du schlecht machst, sondern nur gut. Die drei guckst du dir an und sagst: „Okay, ich kombiniere aus allem das, was die alle sehr gut machen, und mache es dann einfach noch besser. Und das aus Herz und Überzeugung, genau wie du gesagt hast, und Leidenschaft – dann wirst du in jedem Markt gewinnen.
Michael: Plus das was Stefan und ich gerade irgendwann mal bequatschen – Stefan Arman hier, mein Stefan hier vor Ort – und zwar auch mal loslassen können. Das ist ja auch so ein Ding, was ihr dann auch letztendlich gemacht habt, indem ihr jetzt Timo und Alex reingeholt habt – weil ihr könnt nicht alles alleine schaffen – das geht garnicht mehr bei 130 Leuten, und das, finde ich, ist auch wieder so eine Sache, die einfach zeigt, dass ihr an dem richtigen Moment einfach gesagt habt: „So, jetzt ist Schluss, jetzt holen wir uns noch Leute dazu – das kann ich alles nicht mehr alleine.” Oder? Stefan hat doch immer gesprochen?
Anne: (unv. #00:42:54#) das kann ich nicht alleine, sondern: Du musst eher Leute suchen, die in Bereichen … Also man muss seine eigenen Stärken und Schwächen kennen, und die dich in Bereichen ergänzen, die du vielleicht nicht selber abbilden kannst.
Stefan Lemcke: Das war eine Frage vorhin von dir, Stefan: Die Transformation. Ich bin so ein Perfektionist. Ich glaube, dass sind die meisten Gründer die selber etwas machen und das auch noch ordentlich hinkriegen – die wissen einfach alles besser. Ich weiß also alles besser. Aber irgendwann hast du halt 105 Arbeit und hast aber nur 100 Leistung. Also du kannst ja nicht mehr als 100 Prozent bringen, und plötzlich hast du mehr Arbeit, als du selber arbeiten kannst.
Stefan Hamann: Nein, du demotiviert ja auch dann die Mitarbeiter, wenn du denen jeden Tag erzählst – aus meiner Perspektive – was eigentlich hätte kommen müssen, wie es eigentlich hätte passieren müssen. Dann sorgst du ja dafür, dass Sie selber nicht kreativ werden, sondern eigentlich nur noch darauf warten, dass sie Arbeitsanweisungen bekommen. Ich glaube, dass das ein ganz, ganz entscheidender Schritt, das man selber – da gebe ich dir hundertprozentig recht, ich bin selber auch, ich sage mal, auf meine Art Perfektionist – sicherlich nicht, was Design betrifft, das ist nicht mein Steckenpferd. Aber da hat ja jeder sein Tresor, wo er sagt: „So, da habe ich Ahnung, da fühle ich mich zuhause.” Und ich glaube da wirklich zu sagen, und auch wenn es einem wirklich noch so schwerfällt, zu sagen: „Ich lasse die Finger davon. Ich äußere vielleicht im Zweifelsfall nicht mal mehr meine Meinung, sondern lasse einfach die nächste Generation dran und die müssen auch Fehler machen und Dinge lernen.“ Ich glaube, das ist ein ganz entscheidender Schritt.
Stefan Lemcke: Akzeptieren, dass andere es anders machen. Die machen es ja vielleicht auch gar nicht schlecht, aber sie machen es halt anders. Und das war für mich persönlich der größte, schwierigste Schritt in der Firma an der Nummer, dass ich einfach die Sachen aus der Hand gebe. Und es gibt eine Sache, die mir auch sehr schwer fällt: Mich von Mitarbeitern zu trennen. Da bin ich dann wiederum froh gewesen, dass ich jetzt eine Struktur habe, an die ich jetzt abgeben kann, und sagen kann: „Du, den hast du eingestellt. Wenn du den nicht mehr haben möchtest, dann musst du dich darum auch leider kümmern. Das kann nicht sein, dass ich jetzt für dich die Suppe auslöffeln muss.” Darum bin ich relativ froh, das fiel mir immer schwer.
Stefan Hamann: Das fällt auch jeden schwer, glaube ich.
Michael: Da stumpfst du aber ab, keine Sorge. Ich mache das jetzt 25 Jahre -das fällt mir jetzt leichter, leider.
Stefan Lemcke: Dann gucken dich die Leute an und: „Oh man, ey nee!”
Michael: Ich mache das ganz lieb. Die kriegen alle von mir so ein Ankerkrautfläschen Rühreigewürz und dann läuft das.
Marcus: Wir müssen leider auf die Zeit gucken: Wir wollen ja auch den Podcast für den Zuhörer noch erträglich machen von der Länge und wollen ja, dass er auch ein bisschen Zeit hat, sich um ein eigenes Business wieder zu kümmern nach jeder Menge Inspiration. Also großes Dankeschön an euch – Ich fand, ihr wart wunderbar. Großes Dankeschön auch Stefan an dich und Michael an dich. Krass inspirierender Talk und ich glaube, wir sollten nochmal einen gesonderten Talk machen, wo wir tatsächlich nur über die Erfahrungen der einzelnen Business-Schritte und gar nicht wie man Ankerkraut positioniert oder Rose positioniert oder Shopware.
Stefan Hamann: Austausch unter Unternehmern. Das fände ich glaube ich auch noch mal ganz spannend. Mega interessant, auch von meiner Seite aus.
Michael: Meine abschließenden Worte: Ich habe euch lieb!
Anne: Wir dich auch! Euch zwei auch!
Stefan Lemcke: Und ich habe Feierabend!