Corona – Risiken, Chancen und Ausblicke

Als Gast Marcus Diekmann, Michael Atug, Stefan Hamann

Corona – Risiken, Chancen und Ausblicke

Kapitel Thema Zeitpunkt
Kpt. 1 Die Drei Macher 00:14
Kpt. 2 Persönliche Erfahrungen aus der Corona-Krise 05:21
Kpt. 3 So verändert Corona das Einkaufs- und Sozialverhalten 13:28
Kpt. 4 Die richtige Krisen-Strategie für Händler 21:40
Kpt. 5 Chancen und Gefahren von D2C 26:58
Kpt. 6 Standard- vs. flexible Shop-Lösung 33:58
Kpt. 7 Nachhaltigkeit des „Corona-Effekts“ im E-Commerce 39:20
Kpt. 8 Lehren für den Handel 45:28
Kpt. 9 Der Einfluss der Krise auf Shopware 49:25
Kpt. 10 Das Projekt „Händler helfen Händlern“ 51:45
Kpt. 11 „Macher kommt von machen“ 55:04
Kpt. 1

Die Drei Macher

Stefan: Moin, hallo und Servus bei „Dreimal digital“, einem neuen Podcast-Format rund um die Themen Onlinehandel und Digitalisierung. Warum noch ein Podcast? Wir haben einen 360-Grad-Blick auf den Markt. Ich persönlich kann die Shopsystemhersteller-Sicht einbringen, der Marcus Diekmann die Händler- Berater und Agenturperspektive und der Michael Atug neben der Händlerperspektive auch die Herausforderungen und Gedanken vieler kleiner Händler aus seiner großen Community. Euch erwarten spannenden Gäste und ganz viel Programm in den nächsten Monaten. Heute geht es um Corona und unsere Erfahrungen und Gedanken dazu. Aber zuerst: Marcus und Michael, stellt Ihr Euch kurz vor?

Marcus: Michael, willst du anfangen?

Michael: Ja, kann ich machen, klar! Ja, Michael Atug, seit 1995 selbstständig, habe einen stationären Werkzeughandel gegründet damals mit 23 Jahren. Dann 2001 die Zeichen der Zeit erkannt, bei Ebay angefangen zu verkaufen, dann natürlich irgendwann Amazon. Ich bin viel in der Marktplatzwelt unterwegs, und seit fünf Jahren haben wir, oder viereinhalb Jahren – keine Ahnung – habe ich eine Facebook-Gruppe, die Multichannel Rockstars, da sind wir elfeinhalbtausend Online-Händler, die sich austauschen jeden Tag zum Thema E-Commerce, Marktplätze, Shop, was es nur alles gibt. Ja, und ich bin viel als Speaker unterwegs, spreche über meine Erfahrungen, die ich jetzt in den letzten 20 Jahren gesammelt habe und bin Sprachrohr einer Branche, würde ich fast schon sagen, weil eher so der normalen kleinen Online-Händler. Also jetzt nicht eher Marcus Diekmann-Größe – haben wir aber auch drin – es ist alles was Rang und Namen hat in der Gruppe, aber so würde ich das mal so sagen.

Stefan: Ja. Danke schön.

Marcus: Du Michael, mal eine Frage: Das heißt, du bist wirklich als stationärer Werkzeughändler angefangen?

Michael: Ja. 1995.

Marcus: Richtiges Geschäft in Wipperfürth oder wo sonst?

Michael: Ja. Und dann bin ich, das musst du dir so vorstellen, ich bin dann irgendwo reingegangen, also so einen Werkzeugbau, ja, so richtig in die Firma, in den Werkzeugbau und da war dann der Herr Schmitz oder Herr Müller und habe dann gesagt: „Ja, guten Tag, ich bin Michael Atug. Ich habe MAW-Werkzeuge, also die Werkzeuge und Sicherheitsschuhe und so was.“. Und so hab ich tatsächlich Klinken geputzt. Am Anfang war das ein bisschen schwer, weil klar – so ein dunkelhaariger Typ – dann haben die auch gedacht, was will der den? Bringt der den Döner oder die Pizza oder so? Also das war schon ein bisschen schwer.

Stefan: Marcus, erzähle mal. Ich kenne dich ja schon lange. Wer bist du? Was machst du?

Marcus: Klar, ich bin Marcus Diekmann, bin einer der Geschäftsführer von Rose Bikes. Das ist ein klassischer Fahrradhersteller und Fahrradhändler. Wir bezeichnen uns selbst als Online-First-Omnichannel-Händler. Und da uns Omnichannel nicht mehr als Ausdruck reicht, haben wir dann noch ein Online-First davorgesetzt um noch mehr dem Dramatik zu verleihen. Einen großen Teil unseres Umsatzes machen wir online. Bin selber Digitalbeirat noch von BabyOne. Das ist der Marktführer, tatsächlich auch stationär, von Babyfachmärkten. Ich bin so ein bunter Hund in der Digitalszene. Ich kenne Stefan glaube ich schon seit 2004 oder 2005. Seitdem – ich kann leider nie sagen, dass ich schon seit 1900 … schon im E-Commerce tätig bin, sondern tatsächlich erst seit 2005.

Stefan: Aber fühlt sich ein bisschen so an oder?

Marcus: Ja fühlt sich so an. Die grauen Haare werden auch noch extra mehr immer. Ich habe zuletzt noch alte Fotos von uns gesehen, Stefan. Da hat irgendwer gesagt, da waren wir doch noch kleine Kinder.

Marcus: Ja, genau das mache ich. Ich bin Beirat von Gartenmöbel.de und Initiator von „Händler helfen Händlern“. Und das darf die Community aber noch gar nicht verraten, weil wir es noch ganz geheim haben. Aber alle, die jetzt hören: Ich werde jetzt noch Adviser Digital vom BVB, aber das ist wirklich noch streng geheim.

Michael: Gibt das Freitickets für Stefan und mich?

Marcus: Wir können bestimmt alles mit denen mal dealen, aber ich bin seit 01.07. da drin. Und momentan bringen Freitickets nichts, weil Sie ja nur mit 18 Leuten jeweils von Ihrem Verein ins Stadion gehen dürfen.

Kpt. 2

Persönliche Erfahrungen aus der Corona-Krise

Stefan: Gucken wir mal. Ich bin mir ganz sicher Marcus, die Community wird das nicht weiter erzählen. Ja, sehr schön. Ich habe gedacht so heute ist ja das erste mal, für mich auch wirklich das erste Mal, dass ich Podcast mache, also tatsächlich Premiere. Ich bin schon total gespannt und würde mit euch beiden ja ganz gerne mal über Corona sprechen. Aber jetzt nicht unbedingt über die Themen, die wir vielleicht auch alle und auch alle aus der Community jetzt über die letzten Monate eigentlich schon tagtäglich gehört haben, sondern wirklich stark aus der Praxis auch. Ihr seid ja auch beide Online-Händler aus unterschiedlichen Bereichen. Wir bei Shopware bekommen ja auch sehr, sehr viel mit. Unsere Online-Händler aus unterschiedlichsten Branchen haben da ja auch ganz, ganz unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Und ich glaube, das ist ganz spannend auch für die anderen Menschen da draußen mal zu hören, was ist so unser Gefühl? Also wir haben ja auch viele Effekte gesehen. E-Commerce ist in vielen Branchen gerade gut durch die Decke gegangen. Vor allem dann aber auch betreffend der Zukunft. Sind das nachhaltige Dinge, sind das Dinge, wo wir glauben, da kann man auch aus der Händler-Perspektive eigentlich nur profitieren, wenn man sich jetzt entsprechend aufstellt? Und ja, da bin ich schon total gespannt auf eure Meinung und eure Einschätzung dazu. Vielleicht starten wir mal so, dass ihr ein bisschen von euch erzählt. Die Eindrücke der letzten Monate, was ist bei euch so aufgeschlagen? Wie habt ihr Corona aus der geschäftlichen Perspektive auch wahrgenommen? Ich weiß nicht Marcus, wollen wir da vielleicht einfach mal mit dir starten?

Marcus: Ja, gerne. Wir – muss man wissen – wir haben letztes Jahr wirklich, unser Team – Michael, ich darf das von dir klauen – wir haben wirklich gerockt und hatten 20 Prozent Wachstum zum Vorjahr letztes Jahr erzeugt und das war wirklich sensationell. Und dieses Jahr, im Januar und das lief schon im November – also unser Geschäftsjahr fängt immer im November an – November, Dezember war megastark, Januar war megastark und ich dachte: „Krass, das wird unser Rekordjahr ever.“. Dann kriegten wir die Nachricht aus China und da war Corona noch gar kein Thema hier: „Ihr kriegt keine Ware mehr.“ Das war erst mal der Hammer Nummer eins. Und dann dachte ich nur „Scheiße, alle Ware steht in China fest.“ Die Firmen produzieren nicht mehr. Wir haben zig Kunden, die Bikes kaufen wollen, die Bekleidung, Teile, Zubehör kaufen wollen, online und offline. Und wir haben einfach nichts mehr. Und ich dachte, „Scheiße!“ Ich kann mich noch gut erinnern, ich saß bei meinem Freund Uwe beim Grillen, als ich diese Nachricht kriegte und sagte: „Scheiße Uwe, das wird das beschissenste Jahr was wir jemals hatten.“. Und so bin ich vom Rekordjahr zum beschissensten Jahr gefühlt – quasi erst runtergerutscht. Dann ging es zum Glück noch. Wir hatten zwar im Februar ein bisschen Geld verloren, aber dann kam tatsächlich noch Ware zum Glück. Und dann kam am 19.03. die Schließung der Läden in Deutschland. Und das war der Moment – und das möchte ich einmal klar sagen, weil Menschen sterben, von daher das kein Glücksfall – aber ich kann mir noch sehr gut erinnern – nehmen wir das mal raus, dass Menschen sterben und nur aus Geschäftssinn – und ich hatte zu unseren Leuten gesagt: „Das ist krass. Wir haben eine einmalige Chance – alle negativen Dingen beiseitegeschoben – aber wir haben eine einmalige Chance. Der gesamte Fachhandel darf nicht verkaufen und wir sind ein Online-First Unternehmen. Bitte Leute, wenn wenn wir es jetzt geil machen, dann schreiben wir Geschichte. Aber wir müssen jetzt Gas geben. Wir müssen schneller sein, als wir jemals zuvor waren. In Onlinemedia, in Innovationen – die wir dann gemacht haben. Und das trotz dessen, dass Leute im Homeoffice sitzen und alles. Wir müssen jetzt gemeinsam wirklich so eng zusammenrücken und müssen, wenn wir Fußball sagen, als wäre es die Meisterschaft und das letzte Spiel und wir müssen richtig Gas geben.“ Und das haben wir getan. Und dann war April. Plus 50 Prozent Umsatz zum Vorjahr und wir hätten hundert Prozent machen können, hätten wir Ware gehabt. Dann kam Mai. Plus 50 Prozent zum Vorjahr und wir hätten 120 Prozent tatsächlich gemacht, von Anfragen her, hätten wir Ware gehabt. Es ist wirklich so was von verrückt gewesen. Customer Care und Logistik fanden das nicht so spaßig. Während quasi die Onlinemedia-Leute sich wirklich mega gefreut haben und gefeiert haben haben, haben die gekotzt im Strahl, weil wir so viele Nachfragen natürlich gar nicht bearbeiten konnten. Das tut uns auch leid liebe Kunden und wir versprechen, dass wir da wieder besser werden. Wir sind wirklich überrannt worden. Wir haben nachher sogar Onlinemedia abgestellt, tatsächlich. Das muss man sich mal vorstellen. Wir haben gesagt, wir müssen aus dem Preissuchmaschinen rausgehen, sofort bei idealo und überall, weil wir können nicht zu 100 Prozent verkaufen. Für mehr als 50 geht einfach faktisch nichts. Wir sind am Ende. Das ist mir das erste mal in meinem Leben passiert, dass wir wirklich Marketingmaßnahmen und vertriebliche Maßnahmen einstellen mussten, weil wir sonst überrannt werden. Das war wirklich verrückt, und wir wissen, das mit voller Demut zu nehmen, weil es einfach eine – das liegt nicht nur an unserem Talent und an den guten Leuten – das liegt daran, weil natürlich unser Wettbewerb nicht verkaufen durfte. Das darf man nicht vergessen.

Michael: Stopp. Ich muss ganz kurz widersprechen, Marcus. Weißt du was der Unterschied ist? Du hast ja recht. Aber einen Punkt den muss ich jetzt gerade aufgreifen. Du bist halt ein Typ – und deswegen schätze ich dich und tausche mich auch gern mit dir aus – ich glaube, dass du wirklich in dem Moment auch erkannt hast mit deinem Team, jetzt das ist auch eine Riesenchance. Wie gesagt, lassen wir jetzt mal das andere außen vor, wie schlimm das war für alle. Aber das, was du am Anfang gesagt, dass das war ja genau das. Es gibt Leute, die anfangen „Oh je, oh Gott, was machen wir jetzt?“ und Marcus und Team setzen sich hin und sagen: „Wow, das ist eine Riesenchance und jetzt machen wir!“. Das darfst du nicht so abtun. Das musste ich jetzt gerade mal sagen. Das macht es aus. Oder, Stefan?

Stefan: Ja, absolut. Aber ich glaube, dieses Mindset-Thema, so eine Krise auch als Chance zu begreifen, auch relativ schnell im Prinzip sich da anzupassen, also hat ja viel mit Agilität und Flexibilität zu tun. Das ist sicherlich ein Thema, das man gar nicht hoch genug einschätzen kann.

Michael: Sorry, aber das musste ich los werden. Mach weiter!

Marcus: Ich meine, das ist auch wirklich verrückt, weil die Mitarbeiter von der Fläche, zum Beispiel unser Laden in Bocholt, 3900 Quadratmeter, da arbeiten 75 Leute, die sind alle in die Logistik mit reingegangen. Also, ich will ja nur mal sagen, da hat auch keiner gesagt: „Ich bin jetzt Verkäufer. Ich gehe nicht in die Logistik, weil das nicht mein Fachgebiet ist.“, sondern alle sind mit reingegangen. Das war natürlich ganz geil. Jetzt muss man natürlich sagen, ich bin natürlich bei „Händler helfen Händlern“ vielen Händlern begegnet, die noch nicht Online First waren oder auch nicht so die Möglichkeit haben und für die wir das krass, am 19.03. zu hören, dass die Läden schließen, das war wirklich dramatisch. Darum habe ich viele Gespräche mit denen geführt. Was kann man jetzt tun? Wie kann man über Social hochfahren? Wie kann man, wenn man Onlineshop schon hat, den besser nutzen? Herauskam, dass die meisten und auch deren Teams gar nicht so agil hochfahren konnten, dass sie die Technologie – sie hatten keinen Shopware 6 oder irgendwas – womit sie wirklich auf Angriff gehen konnten. Und da muss ich jetzt sagen, das war vielleicht auch der Weckruf für alle im Handel. Ganz ehrlich, ich bin seit 2005 in dieser Branche und seit 2009 rede ich mir den Mund fusselig auf zig Kongressen: „Digitalisiert euch, gibt Vollgas, macht E-Commerce.“ Und alle haben gesagt:, „Ja, der hat recht. Machen wir nächstes Jahr. Vielleicht übernächstes Jahr. Ja, wir werden irgendwann starten. Er hat recht, vielleicht in drei Jahren.“

Stefan: Glaubst du denn, dass das jetzt wirklich nachhaltig ist? Ich hatte so ein bisschen das Gefühl, alle waren aufgescheucht und es wurden viele Projekte an den Start gebracht, auch relativ schnell – was ja erstmal sehr positiv ist. Ich hatte aber auch das Gefühl, als dann der Lockdown zurückgenommen wurde, dass sich dann parallel eigentlich die Ambitionen auch jeweils wieder zurückgenommen wurden. Ich bin mir noch ein bisschen unsicher, wie nachhaltig wirklich auch dieser Digitalisierung Effekt, diese Penetration, diese Steigerung, wie nachhaltig das in den Köpfen wirklich verankert ist.

Kpt. 3

So verändert Corona das Einkaufs- und Sozialverhalten

Marcus: Genau mein Eindruck auch. Das muss ich auch wirklich – sowohl von den Händlern, sowie auch vom Staat. Ich kann mich erinnern, dass während des Lockdowns kriegte ich ständig von den Ministerien Anrufe: „Marcus, was können wir zusammen machen mit „Händler helfen Händlern“? Wie können wir unterstützen? Wir wollen jetzt richtig Gas geben. Wir wollen jetzt- nimm Digitalisierung-Budgets vom Staat, nimm sie, wie du sie brauchst – also jetzt nicht so übertrieben gesagt, weil die schmeißen natürlich kein Geld aus dem Fenster raus – aber wir wollen richtig Gas geben. Wenn du uns Händler bringst, wir helfen denen allen.“ Jetzt ruft gerade keiner an. Jetzt muss ich sie wieder anrufen, wie früher. Der Handel, genau dasselbe. Man merkt ja die hohe Interaktionsrate. Wir geben jetzt Vollgas, alles wurde versprochen. Wir haben es jetzt erkannt. Marcus, ihr E-Commerce-ler hattet immer recht. Wir sind jetzt ganz demütig und dann hatten die Läden wieder aufgemacht. Aber wir dürfen jetzt eins nicht vergessen, wir machen aktuell, allein in der Textilbranche, stationär minus 25 Prozent Umsatz. In der Textilbranche stationär minus 25 Prozent. Das heißt, der Lockdown ist zwar vorbei, aber die Tendenz – ich habe immer noch keinen Bock, mit Maske einkaufen zu gehen, ich kaufe online – die ist weiterhin da. Das nächste ist, dass wir auch bis Ende des Jahres, bis diese Maskenpflicht aufgehoben wird oder solange Corona auch noch existiert, weil Corona noch nicht vorbei ist, wird dieser Online-Trend weiter zunehmen. Gleichzeitig gewöhnen sich jetzt immer mehr Kunden, weil jetzt plötzlich auch mein Vater auf den Geschmack kommt, der sonst so klassisch stationär war und sagt, das ist viel einfacher. Ich kann einfach schnell online bestellen. Das kommt so schön nach Hause. Brauche ich nie wieder in die Stadt gehen, außer einmal im Jahr vielleicht noch. Ich hatte sowieso nie Bock, in die Stadt zu gehen.

Stefan: Da habe ich auch noch eine gute Anekdote, die dazu passt. Und zwar meine Schwiegermutter, auch über 60, hat in der Coronazeit das erste Mal Maschendrahtzaun im Internet bestellt. 200 Kilo Maschendrahtzaun, der Postbote ist komplett ausgerastet-

Michael: 200 Kilo? 200 Kilo hast du gesagt?

Stefan: Ja, 200 Kilo. Das ist schon eine ganze Menge Maschendrahtzaun auf jeden Fall und das fand der Postbote nicht so witzig. Aber das ist ja eigentlich ein ganz gutes Beispiel dafür, dass sich auch das Verbraucherverhalten ändert. Also a) glaube ich, wir haben Altersgruppen angesprochen, die vorher jetzt nicht wahnsinnig E-Commerce-affin gewesen sind und die bestellen Dinge, für die sie sich normalerweise halt ins Auto gesetzt hätten, über das Internet.

Michael: Aber da braucht man ja gar nicht so weit gucken. Also da brauche ich ja nur mich selber beobachten. Also, wenn ich mich jetzt als Beispiel nehme, ich habe null Bock im Moment einkaufen zu gehen. Null. Das ist für mich die größte Qual, wirklich die größte Qual. Einen Einkaufswagen nehmen, eine Maske anziehen und dann guckst du dir auch die Preise an. Nehmen wir mal ein Beispiel: Ich habe jetzt die Tage bei Amazon ein WD40 Spray bestellt. Das kostet 5,60 Euro frei Haus. Das kostet im Baumarkt genauso viel. Ich muss hinfahren, ich muss hinlaufen. Ich muss mich anstellen, ich muss tun und machen. Da habe ich einfach keinen Bock drauf. Also, ich bestelle so extrem viel mittlerweile online, weil ich auch selber gesagt habe, ich will das auch alles nicht und aus Nachhaltigkeitsgründen – ich weiß nicht, ob wir jetzt eigentlich auch mal drüber sprechen können, finde ich eigentlich gar nicht so verkehrt. Vielleicht macht das ja auch Sinn. Jetzt kann man natürlich sagen, so ein Paket ist natürlich auch nicht gerade nachhaltig. [Tonstörung] nur im Großen und Ganzen, ich fahre da hin, [Tonstörung]. Das Einzige was da für mich auf der Strecke bleibt, und das merke ich einfach total, das ist einfach dieser soziale Kontakt. Ich treffe ja dann auch keinen mehr aus der Stadt. „Hey was geht, was machst du, blabla …“, das ist halt weg. Ich sehe hier meine meine Mitarbeiter irgendwie jeden Tag. Und das war es dann auch. Das ist nicht very cool.

Stefan: Ja, das ist auf jeden Fall ein Effekt der, der den Leuten auch zu schaffen macht. Es ist ja auch, bei den Mitarbeitern merke ich es ganz deutlich. Also dadurch, dass halt alle im Prinzip, oder fast alle, von zu Hause aus arbeiten, fehlt da auch so ein bisschen auch der ganze soziale Austausch, also das was man normalerweise an der Kaffeemaschine hat und das Gleiche hast du ja auch gesamtgesellschaftlich. Also das, was du da beschreibst, so ein bisschen soziale Distanz dadurch, dass es eigentlich weniger Möglichkeiten gibt, überhaupt mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen gerade. Das ist sicherlich auch ein großes Thema.

Michael: Wie ist das denn [Tonstörung] Stefan? Am Anfang ist das doch bestimmt cool und irgendwie okay. Aber jetzt? So langsam ist es nicht so, dass – also ich merke es halt total – ich dünnhäutig werde, dass ich irgendwie grantig bin bei Themen, wo – mir fehlt es einfach. Und am Anfang war es ja noch okay, aber jetzt so deine Leute, sagen die was? Sagen die jetzt: „Mensch, wir wollen wieder zurück.“ oder sagen die jetzt: „Och prima, super.“? Gibt es da ein Feedback, weil du hast ja mal ein paar Mitarbeiter, nicht?

Stefan: Ja das ist tatsächlich sehr verteilt, würde ich sagen. Also es gibt Kollegen, die auch ab und zu wieder hier sind. Also, wir haben ja hier genug Platz und Möglichkeiten, dass hier vierzig, fünfzig Leute arbeiten können, ohne dass sie sich über den Weg laufen im Prinzip. Und andere Leute sind da völlig fein. Also kommen gut klar. Arbeiten jetzt im Prinzip ja seit dreieinhalb, vier Monaten von zuhause aus. Was wir schon machen wollen, jetzt als Firma ist dass wir perspektivisch sagen, es gibt irgendwie mal einen Präsenztag in der Woche. Dass also jeder Mitarbeiter einmal die Woche dann auch von hier aus arbeitet. Einfach damit der Kontakt zur Basis nicht verloren geht und man, ich sag mal einen gewissen sozialen Austausch dann auch wieder mit Leben füllt. Der Mensch ist halt ein Gesellschaftstier sozusagen. Ganz ohne den persönlichen Austausch funktioniert es halt eben auch nicht. Aber da werden wir auch sehr vorsichtig weiter vorgehen und schauen wie entwickelt sich auch das drumherum weiter.

Marcus: Ja, man muss halt-

Michael: Marcus, ich muss gerade an unseren Talk denken. Wir haben ja schon mal gesprochen, weißt du noch? Da haben wir genau darüber gesprochen, wie es so für Firmen ist. Wir haben glaube ich jetzt nicht Shopware gesagt, aber das wäre ja ein Paradebeispiel, wie sich das eigentlich verändern wird. Wenn jetzt demnächst nochmal ein Anbau geplant wird, weil Shopware wächst und wächst, ist ja nun nicht unbekannt. Wirst du einen Anbau machen oder wirst du sagen: „Naja, es gibt andere Mittel oder Lösungen.“ Vielleicht zwei Tage, da haben wir darüber gesprochen. Weißt du das noch, das war so spannend, wie sich so etwas in Zukunft darstellt. Das finde ich auch noch mega spannend. Brauchst du das, musst du das? Monatliche Kosten, Finanzierungen, Energiekosten. Hast du da eine Meinung zu, Stefan? Aber auch nur, weil wir gerade wie gesagt letztens darüber ausführlich diskutiert hatten, wir beide.

Stefan: Ja, das ist ja ein total spannendes Thema. Zumal wir ja gerade angebaut haben. Der Shopware-Tower ist ja noch gar nicht so alt.

Michael: Genau.

Stefan: Und ich bin da wirklich völlig zwiegespalten. Auf der einen Seite denke ich, den Platz den wir jetzt haben können wir auch immer gebrauchen, weil wir wachsen ja perspektivisch auch stark weiter. Auch wenn das nicht zwangsläufig bedeutet, dass wir jetzt hier – keine Ahnung – 300, 400, 500 voll ausgestattete Arbeitsplätze in Schöppingen vor Ort brauchen, da bin ich ein bisschen von runter. Ich glaube schon, dass viel, viel mehr remote einfach geht in Zukunft und auch gehen muss. Aber dann eben Flächen zu schaffen für Workshops, für Brainstormings, für cross-funktionale Teams und solche Dinge, ich glaube dafür können wir den Platz gut gebrauchen. Aber wenn ich mich jetzt fragen würde, wann baut ihr den Tower Nummer 2, dann würde ich sagen, ganz ehrlich, da bin ich mir nicht sicher, ob wir den wirklich brauchen in Zukunft.

Michael: Mega spannend. Das finde ich so mega spannend, das Thema. Weil das verändert einfach alles.

Marcus: Ja, absolut. Cool. Es gibt auch neue Chancen, nicht nur mit dem [unv.] jetzt gerade, ob man bauen muss. Der Haushaltsführende, egal ob das der Mann oder die Frau ist, die also quasi sich um die Familie zu Hause stärker kümmert als der andere Part, bekommt plötzlich völlig neue Möglichkeiten, flexibel einen Job wieder zu starten. Denn heute könnte dann vielleicht diese Person nur zwei Stunden arbeiten oder drei oder vier Stunden am Tag, weil sie ja zur Firma hinfahren muss, den Job da machen muss, wieder zurückfahren muss, egal nochmal ob es Mann oder Frau ist. Damit könnte sie oder er dann von zu Hause aus arbeiten, könnte dann abends vielleicht noch mehr machen. Wir kriegen die Chance, gute Fachkräfte zu binden. Der nächste Fall ist, es wird auch interessant, weil viele sind vielleicht früher nach Düsseldorf gezogen, weil sie nur da den Job ihrer Träume bekommen konnten. Ab jetzt, auch für kleine Städte wie – ich komme ja aus Coesfeld – wie Coesfeld, kannst du auch da wohnen bleiben und kannst trotzdem vielleicht für eine Firma in München arbeiten. Das ist also interessant, was sich daraus alles für Potenzial und Möglichkeiten ergeben.

Kpt. 4

Die richtige Krisen-Strategie für Händler

Stefan: Vielleicht einmal eine Frage Marcus, auch so in deine Richtung: Was glaubst du denn – wir haben ja auch darüber gesprochen – E-Commerce, Online-Handel, Textil hat gerade arge Probleme sozusagen, weil einfach der Verbraucher nicht mitspielt, weil der einfach sagt: „Wenn ich nicht unbedingt muss, dann will ich eigentlich auch nicht in den stationären Laden rein.“ Was ist denn aus deiner Perspektive, was wäre denn eine gute, valide Strategie, jetzt aus der Händler-Perspektive, um dem entgegenzuwirken?

Marcus: Ich hatte gestern Abend noch ein Abendessen mit tollen Leuten, die auch im Handel sind, und ich hatte gestern noch ein Rechenbeispiel gezeigt. Und wenn man jetzt sagt, das Verbraucherverhalten ändert sich noch rapider dauerhaft, dass noch mehr Kunden schneller online kaufen – natürlich kaufen auch weiterhin offline – aber nochmal zehn Prozent kaufen dauerhaft mehr online, vielleicht fünfzehn Prozent, egal welche Branche das ist. Man muss wissen, wenn man stationär zehn Prozent Umsatz verliert stationär, dann ist ein Laden pleite. Die Faustformel ist immer: fünf Prozent kannst du auffangen, weil du irgendwie noch mit dem Vermieter verhandeln kannst oder du hast irgendein Potenzial noch, Stromkosten minimal ein bisschen runterbringen, nicht so einen großen Effekt. Du kriegst vielleicht noch einen Mitarbeiter auf der Fläche noch reduziert, aber zehn Prozent packst du nicht, also dann bist du einfach platt. Wenn also nur zehn Prozent mehr noch online rüber geht, dann steht die nächste Pleitewelle bevor. Wenn man da jetzt sagt, man hat noch – und nehmen wir jetzt mal, wir hätten gestern über Shopware 6 gesprochen, weil die damit starten wollen – dann stell dir mal vor, die sagen: „Wir schieben das noch mal bis Ende des Jahres, weil wir noch keine Chance haben.“ Dann habe ich denen vorgerechnet: „Ende des Jahres Ausschreibung. Dienstleistung. Mitte des nächsten Jahres fängst du dann irgendwann an, weil du verhandelst und [unv.]. Ein Jahr Bauzeit.“ Da muss man sich mal vorstellen, dann sind wir zwei Jahre weiter und wir reden gerade drüber, dass nächstes Jahr schon zehn Prozent fehlen. Also das heißt, ich würde als erstes mal hingehen und sagen, die Priorität, egal ob ich schon einen Onlineshop habe oder nicht, auch den neuer zu machen, besser zu machen oder komplett aufzusetzen, je nachdem wo ich stehe, mehr Gas darauf zu geben und das mit Prio A anzugehen, das ist schon mal die erste Entscheidung die ich treffen würde. Das zweite ist, dass sich E-Commerce wandelt, und daran glaube ich fest. Ein Online-Shop wird mehr zum Such- und Vergleichskauf-Objekt. Das heißt, wenn ich heute mal gucke: Früher sind die Leute alle zu Rose auf den Onlineshop gegangen, um sich dort zu inspirieren. Heute kommt die Inspiration immer stärker über Instagram. Da sehen sie ein geiles Fahrrad von uns, da sehen sie irgendwas und sagen: „Wow! Das finde ich super, das will ich haben!“. Dann gehen Sie in den Online-Shop und die UX, die muss einfach passen. Da werden wir auch noch besser. Da sind wir auch noch nicht perfekt, aber wir geben Gas. Das heißt-

Stefan: Marcus, Erfahrungswerte? Also in Sachen Customer Journey, wie viel beispielsweise oder wieviel Prozent eurer Kunden über Kanäle wie Instagram dann auch auf euch aufmerksam werden?

Marcus: Ja. Wir sind momentan bei 25 bis 30 Prozent. Das heißt, das ist im Verhältnis noch wenig, wir merken aber die Rasanz im Wachstum. Das heißt, wir merken sprunghaft, oh krass, das nimmt solche Effekte an, diese Raten, wie die ansteigen, dass wir noch viel krasser und besser auf Instagram und Facebook und Co. werden müssen oder auch TikTok in Zukunft oder irgendwas, wo wir wirklich, wenn wir da nicht aufpassen, dann verpassen wir die neue Welle des Marketings. Und wenn wir jetzt weiterhin nur bei Google Ads sind als Beispiel oder weiter nur bei idealo oder klassisch im Onlineshop agieren, dann werden wir verlieren. Das heißt, unsere Entscheidung ist ganz klar, wir stellen jetzt gerade bis 2022 33 neue IT-ler ein -nur mal, dass man sich als Dimension das vorstellt – um wirklich noch radikaler Gas zu geben im E-Commerce. Wir sind da schon gut aufgestellt. Das Zweite was wir machen ist, wir verändern unseren Fokus und geben auf Instagram, Facebook und Co. viel, viel mehr Gas. Und sind auch in Projekten jetzt direkt dran mit Facebook selber, die uns da wirklich toll unterstützen, um wirklich die Inspiration dort wirklich zu ermöglichen. Und jetzt ist Rose vielleicht in der Situation, in der guten Situation, dass man auch solche Entscheidungen fällen kann. Wenn ich jetzt aber Kleinhändler wäre und das finde ich so, finde ich so Snocks oder Jost Wiebelhaus vom Laufschuhtreff Frankfurt, unglaublich coole Typen, die es auch schaffen, als One-Man-Show quasi – die haben natürlich auch Teams, kleine Teams, also das sind beides keine Rentner, die sehr erfolgreich [unv.] Geschäft machen, auch in der Corona-Krise, die über’s Social immer bekannter werden und plötzlich damit Kunden in ihre Läden oder wie Snocks in ihren Online-Shop bekommen, und das finde ich interessant. Also, da muss man kein Rose für sein oder noch viel größer, aboutyou oder irgendwer, sondern das kann man auch – Instagram und Co. und das in den Onlineshop zu kriegen – das kann man echt mit einfachen Posts hinbekommen. Da kann man auch mit dem Handy und der Kamera da viel hinbekommen und dann einfach mal test, learn, build bigger machen.

Kpt. 5

Chancen und Gefahren von D2C

Stefan: Ja, und das ist eine Riesenchance, gerade so für B2C Brands halt über die Kanäle entsprechend an Kunden zu kommen, ohne gigantische Google Adwords-Budgets oder sowas adaptieren zu müssen. Glaubt ihr denn – vielleicht mal auch in beide Richtungen – dass dieses, ich sage mal D2C-Thema, alleine aufgrund der Lieferstrukturen, die wir heute haben, ist ja alles sehr weltweit organisiert, vieles wird in China produziert. Wir haben ja jetzt in der Corona-Krise gesehen, dass das – das hast du ja selber auch erzählt – ja durchaus auch Probleme und Schwierigkeiten mit sich bringt, und gerade so im B2C-Bereich gibt es auch welche logischerweise, die selber produzieren und nachhaltig vor Ort und so weiter, aber viele ja auch die Dropshipping-Ansätze fahren oder Produkte verkaufen, die erstmal aus China per Container nach hier kommen müssen. Glaubt ihr, dass diese Modelle eine Zukunft haben, seht ihr das kritisch oder wie steht ihr dazu?

Michael: Also wenn ich mal anfange Marcus, D2C, ich glaube, das lässt sich überhaupt gar nicht mehr vermeiden, also Herstellerseitig. Gerade große Brands werden irgendwann selber verkaufen, das ist für mich so klar wie Kloßbrühe. Ob das jetzt bei mir im Werkzeug oder egal wo ist, das macht ja auch manchmal absolut Sinn! Nehmen wir mal das Beispiel damals mit Aldi und Tante Emma: „Geht so nicht, und blabla…“ Hör mal, da redet heute keine Sau mehr drüber! Das wird kommen. Die großen Brands werden werden irgendwann selber verkaufen und eben dieses D2C abräumen, weil nochmal, es macht ja auch teilweise Sinn. Also wenn du jetzt keine Ahnung, hast jetzt irgendwie deine Laufschuhe von irgendeinem keine Ahnung, riesen Unternehmen, Nike, Adidas, weiß der Kuckuck. Zack, du siehst die, du willst die kaufen und dann wieder weiterleiten. An welchen Händler, wo, was, wie? Das können die selber machen, die können ihren eigenen Content bespielen, die Hersteller, die Brands. Die haben ja auch das Geld und die Macht und die Möglichkeiten dazu. Ich nehme jetzt mal nur mein Werkzeugsortiment: Willst du einem kleinen Händler wie uns ja, oder den anderen Werkzeughändlern – da sind nun mal echt wenige gut aufgestellt, das muss man einfach so sagen – willst du denen das in die Hand geben und sagen: „Hey, passt mal auf, wir haben hier einen neuen [unv.] Hammer, so und so macht mal, macht da mal was mit. Renne mal raus und hau einen Nagel irgendwo mit rein.“ Das kannst du knicken. Die Community selber, die Dachdecker, die Pickert geil finden, die werden bei dem auf dem Kanal gucken und dann ist der Kaufanreiz ausgelöst. Und dann wollen die kaufen, die wollen nicht nochmal rechts, links, tralala. Deswegen für mich, ganz klar kommt und wird kommen und wird für uns Händler ein echtes Problem! Ich rede von den großen Brands, nur davon, da hast du schlechte Karten.

Stefan: Und wenn du über die Kleinen nachdenkst? Ich meine, da findet ja auch sehr, sehr viel im Small-Business-Bereich statt, D2C wird ja auch immer mehr von kleinen Brands genutzt, die sozusagen erst mal in den Markenaufbau investieren oder den Markenaufbau stattfinden lassen, und da würde mich auch deine Meinung noch mal interessieren. Ich meine, so als großer Brand ja, auf jeden Fall, es macht ja auch strategisch Sinn, den Kunden näher an den Brand heran zu holen im Prinzip und auch den Kundenzugang ein Stück weit mitzugestalten. Als kleiner Brand, also du startest neu und hast irgendeine Eigenmarke jetzt mal, egal, ob du was verkaufst, was andere produzieren oder sogar selbst produziert. Glaubst du, dass diese Modelle in einer konsolidierten und noch professionelleren E-Commerce Welt der Zukunft, dass die Bestand haben oder müssen sich diese Modelle auch kritisch hinterfragen?

Michael: Nein, dann erst recht. Dann erst recht, weil du hast ja- nehmen wir mal diesen Snocks da, der mit den Socken – die haben sich ja eine Brand aufgebaut die ja vorher keiner für möglich gehalten hat, sage ich jetzt mal. Es gab Falke Socken und wie die die großen Player alle heißen. Auf einmal ist da jemand anders. Warum soll der jetzt groß über den Handel gehen oder sowas? Der hat seine eigene Marke aufgebaut und der vertreibt die auch direkt. Ob er dann anderen was abgibt und sagt: „Komm, du kannst dann auch mit verkaufen.“, um einfach mehr Reichweite zu generieren, dass eben mehr Leute auch die Produkte sehen, das lassen wir mal dahingestellt. Aber gerade bei denen sehe ich es ja noch extremer als die großen Brands. Ein Problem haben alle große Brands, die müssten diskutieren mit den Händlern, siehe so ein Parador, der diese Laminatböden und sowas macht, der ja auch da jetzt sehr viel macht, die müssen mit den Händlern diskutieren: „Ja okay, ihr kriegt ja auch was ab und wir gucken mal.“, weil da einfach ein riesen Aufschrei noch da ist. Aber das ist irgendwann vorbei. Die großen Brands sage ich mal, die haben noch das Problem, irgendwie mit dem Handel noch ein bisschen klarkommen zu müssen, bis der Tag X kommt. Und die sagen: „Weißt du was Atug, ziehe Leine, wir brauchen dich nicht mehr.“ Und das kommt. Das ist einfach so, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche, zumindest meiner Meinung nach. Aber nochmal das, was ich gerade bei dir gesagt habe, definitiv die Marken erst recht. Da glaube ich fest dran. Und da bauen sich ja Marken auf, das wäre ja früher unvorstellbar gewesen. Kleine Sidekicks, wo die Großen drüber gelacht haben. Nimm mal ein Ankerkraut, Stefan und Anne, ich kenne die beiden privat. Das hätte doch nie einer für möglich gehalten, dass die das schaffen gegen Fuchs und wie sie alle heißen, dieses Monopol, das sind ja irgendwie, im Prinzip ist das ja nur eine Firma, die dahinter steckt, glaube ich so im Großen und Ganzen. Es ist doch Wahnsinn, was du heute alles erreichen kannst.

Marcus: Ja, lass uns Bett1 nehmen. Mit einer Matratze, gefühlt zehn Mitarbeitern, Marktführer im Matratzenmarkt heute. Lass uns doch ein einfaches Rechenbeispiel machen, weil ich glaube, dann wird es für alle am logischsten und jetzt möchte ich – das tut mir immer leid, das so sagen zu müssen. Und da möchte ich auch kein vorführen und möchte auch keinem ein schlechtes Gefühl machen. Es ist einfach nur faktisch und logisch. Wir leben in einer absoluten preistransparenten Welt, das weiß jeder. Das führt dazu, dass ein Markenprodukt, was sehr bekannt ist, was du im Fachhandel kaufen kannst, was du Online an jeder Ecke kaufen kannst, immer günstiger werden muss. Weil das durch den zunehmenden Wettbewerb – 100 Millionen Online-Shops verkaufen dieses Produkt, egal welches es ist, von mir aus den Samsung Fernseher oder irgendwas und das T-Shirt oder den Schuh, ganz egal – das bedeutet, dass man im Durchschnitt zwischen 1,5 und 3 Prozent Rohertrag pro Jahr verliert durch diesen zunehmenden Wettbewerb, durch Preissuchmaschinen und Co. Das heißt der Rohertrag, das was ich als Händler überbehalten kann, geht runter. Gleichzeitig erleben wir gerade, dass der Anspruch an Services radikal steigt. 100 Tage Umtauschrecht, nimm auch egal, ob ich das Ding selbst kaputt gemacht habe, bitte nimm es zurück und gibt mir mein volles Geld zurück. Ich möchte auf Rechnung zahlen, was Geld kostet. Ich möchte in 36 Raten zahlen, was Geld kostet. Ich möchte schnelle Lieferung, was immer teurer wird. Ich möchte den krassesten Customer Service haben, was immer mehr Geld kostet. Das heißt, Rohertrag sinkt, Anspruch an Services steigt.

Michael: Und damit auch die Kosten.

Marcus: Genau. Die Kosten explodieren. Das heißt, man kann jetzt schon Aussagen dass der Handel echte Schwierigkeiten mit dem Verkauf von markenübergreifenden Produkten bekommen wird, weil es sich nicht mehr rechnet. Nochmal: Servicekosten steigen, Rohertrag sinkt.

Kpt. 6

Standard- vs. flexible Shop-Lösung

Stefan: Habe ich noch mal eine ganz interessante Frage dazu, Marcus. Mein Gefühl ist immer, also wir sehen diese Entwicklung auch, dass das mittelfristig dazu führt, dass auch, ich sage mal die E-Commerce-Budgets geringer ausfallen, weil natürlich wenn du jetzt so ein Onlineshop-Projekt dir anschaust und mal exemplarisch, keine Ahnung mal [unv.], wie auch immer, dann bist du ja schnell auch in einer Größenordnung, die sich dann ja trotzdem auch in drei, vier Jahren amortisieren muss. Dass bei dieser Preisspirale, in der sich ja viele Produktbereiche befinden, glaubst du, das sind Modelle, die in Zukunft noch in der Größenordnung funktionieren, oder glaubst du, es wird immer mehr eigentlich auch über flexible Standards abgewickelt werden müssen, weil es sich de facto keiner mehr leisten kann, jedes Mal ja eine starke individuelle Lösung zu bauen?

Marcus: Lasst uns doch da mal ganz ehrlich sein. Also zwei Dinge dazu als Antwort: Erstens a) Das bedeutet, dass man entweder selber starke Eigenmarke werden muss, so wie Rose. Wir sind auf der einen Seite Einzelhändler, auf der anderen Seite Marke. Und auch Rose musste letztes Jahr die Entscheidung treffen, schneller wachsen zu müssen, um den fehlenden Rohertrag auszugleichen. Also im Absoluten. Das ist das erste. Das zweite ist – jetzt kommen wir zu deiner Frage – ich habe noch nie verstanden und ich habe viele Online-Shops in meinem Leben bauen dürfen, ich habe echt noch nie verstanden – ich habe viel Textil gemacht und ich habe bestimmt 30 Textil-Online-Shops gebaut, für verschiedene – ich habe noch nie verstanden, weil eigentlich sahen die zu 80 Prozent gleich aus, aber jeder wollte immer bei null anfangen. Und jeder wollte noch irgendein Fitzelchen, was diesen Shop anscheinend so besonders macht, was aber für den Endverbraucher keine Rolle spielte. Statt erst mal die guten Standards zu nehmen und erst mal darauf aufzusetzen und dann da aber in den Standard, da aber ein gutes System zu nehmen, wie Shopware und nicht jetzt sich einfach zu denken, ich nehme so einen – nichts gegen 1&1 – da möchte ich mich gar nicht mit anlegen-

Stefan: Wenn du noch einmal Shopware sagst, bekomme ich Probleme wegen Schleichwerbung.

Marcus: Jaja. Du, wir selbst haben ja auch ein anderes System, das gibt’s ja eine Vielfalt. Aber ich möchte nur sagen, da muss man gutes Geld in die Hand nehmen. Aber man muss nicht jede Sonderlocke die der Endverbraucher sowieso nicht honoriert, sondern dann eben in einen krassen Standard investieren, und das sind wichtige Schritte die man gehen muss. Und wir verschwenden heute wirklich viel Geld für Features, die kein Mensch braucht. Und nochmal, wenn der Trend sowieso ist dass ich die Inspiration auf Social Kanälen immer mehr erlebe und ich dann aber wirklich krass gut in der Abwicklung in einem Onlineshop sein muss, dann verändern sich auch die Aufgaben, was ein Onlineshop tun muss. Es gibt ja sogar die Leute, die die Vorstellung haben, dass ein Online-Shop jeden Tag am besten ganz individuell neugestaltet werden muss.

Michael: Darf ich mal ganz kurz reingrätschen? Ich finde eigentlich, was jetzt irgendwie auf der Strecke geblieben ist, ist ja vielleicht auch eher euer Thema. Aber dann so von außen betrachtet. Wenn die Budgets weniger werden und man schon über Margen redet und was weiß ich – ich meine, klar, wir müssen Geld verdienen. Aber ist es jetzt nicht – ich stelle mal einfach eine blöde Frage – ist es jetzt nicht an der Zeit, sich für die Zukunft aufzustellen und zu sagen: „Ich pumpe jetzt Kohle rein, weil sonst bin ich in drei oder fünf Jahren weg?“.

Michael: Das ist ja meine Rechnung von gestern Abend. Wenn man jetzt sagt, ich schiebe ein halbes Jahr, dann bin ich nochmal ein halbes Jahr weiter und dann bin ich erst in zwei Jahren fertig, wenn aber schon nächstes Jahr zehn Prozent fehlen, dann habe ich ein massives Problem. Das heißt aber nicht-

Stefan: Aber Michael, das eine ist tatsächlich jetzt, also es besteht ja unmittelbarer Handlungsbedarf im Prinzip, das wäre auch noch eine Frage von mir gewesen – da können wir gleich mal drüber sprechen, wie ihr auch diese Umsatzentwicklung, die wir jetzt gesehen haben. Ich habe Händler gesehen, die haben teilweise doppelten, dreifachen Umsatz gemacht. Wie nachhaltig sind diese Effekte? Das fände ich noch eine spannende Frage. Und dann natürlich, du hast kurzfristig sicherlich Handlungsbedarf, dass man sich entsprechend gut aufstellen muss aus der Händlerperspektive für die nahe Zukunft. Versus dann das, was Marcus da eingebracht hat. Irgendwo wird der Wettbewerb ja nicht weniger. Es wird noch stärker. Es werden weitere Player in den Markt eintreten und dementsprechend gehen die Preisspiralen weiter nach unten. Margen sinken. Und dann hätte man halt unter anderem diese Budgetfrage, vielleicht auch als mittel- bis langfristigen Effekt, dass einfach gesagt wird in einer E-Commerce-Zukunft, zwei oder drei Jahre von jetzt ist eben sozusagen der Druck einfach so groß, dass die Investitionsbudgets für das Lösen von Standardproblemen einfach nicht mehr zur Verfügung gestellt werden. Dass dann eher gesagt wird, E-Commerce von der Prozesslandschaft und dem, was ich wegen meiner da im Fashionbereich da machen will. Da gehe ich einfach in einen flexiblen Standard und habe einfach nicht mehr diese hohen Investitionsbudgets.

Marcus: Absolut.

Michael: Irre! Da muss ich immer an Marcus Diekmanns Fünfjahrespläne denken: Weg mit Fünfjahresplänen, weg damit! Wie verrückt ist das. Du hast gerade zwei, drei Jahre gesagt, das ist ja schon – da habe ich schon gedacht, so lange. Es ist verrückt. Es ist crazy.

Stefan: Das erste Halbjahr hat sich auch angefühlt wie zehn Jahre, oder?

Kpt. 7

Nachhaltigkeit des „Corona-Effekts“ im E-Commerce

Michael: Aber du hast gerade gefragt, wie sich die Umsätze entwickelt haben. Also da habe ich was Interessantes. Ich habe es ja gerade gesagt, meine Facebook-Gruppe, die Multichannel Rockstars, da habe ich eine anonyme Umfrage gemacht und da kam Folgendes bei raus, das finde ich sehr interessant: 78 Prozent haben mehr Umsatz gemacht, 78 Prozent. Ich habe jetzt nicht wie viel, das wäre viel zu kompliziert einfach mal 78 Prozent mehr Umsatz, 21 Prozent weniger, ein Prozent gleichgeblieben. 78 Prozent. Und wenn ich jetzt mal nur uns sehe, wir haben so absurd viel verkauft. Du hast gedacht, was ist hier los? Wir haben jeden Tag Rekorde gerissen, wir haben das gar nicht mehr geschafft. Wir mussten Leute dazu holen, die irgendwie noch versuchen Ware zu packen. Und da ging es gar nicht mehr darum, kriegen wir heute alles raus, sondern kriegen wir das überhaupt irgendwie mal raus. Das war schon der absolute Wahnsinn. Und ich fand die Statistik echt krass. Aber im großen Ganzen zeigt das auch, dass in meiner Community, da gab es nicht viele Schicksale oder sowas. Da hab ich jetzt nicht viele mitbekommen, die wirklich hinten runtergefallen sind. Das hätte ich am Anfang anders gesehen. Ich habe gedacht, das könnte in die Hose gehen. Aber das war eher geil. Ein ganz kleines Anekdötchen: Ich kaufe vor ein paar Jahren ein Lkw voll Schutzanzüge. Ja, ich hab gedacht, naja, kriegste irgendwie an die Maler oder tue es mal in einer Palette weg oder so, für ein paar Euro das Stück oder so. Ja, ich glaube ich brauche nicht weiterreden. Ihr wisst, was jetzt kommt, das war unnormal. Wir haben 300 Anzüge dahin, 500 Anzüge dahin, 100 Anzüge dahin, zehn Anzüge dahin. Ein Wahnsinn. Und mit Margen – traumhaft.

Stefan: Aber das deckt sich ja auch total mit den Erfahrungen, die wir mitgeschnitten haben.

Michael: Genau, wie war es denn in deiner Shopware-Community? Da ist ja auch mal eine große Community.

Stefan: Ja ja, absolut. Also wir haben ähnliches beobachtet. Wie gesagt, Online-Händler, die zwei bis drei Mal so viel Umsatz gemacht haben im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit. Auch ehrlich gesagt einige wenige, die dann, ich sage mal vielleicht in Branchen unterwegs sind die jetzt Coronabedingt da einfach nicht gut funktionieren, es ist dabei ja auch völlig logisch. Aber summa summarum kann man sagen, haben die Shopware-Händler auch irgendwo zwischen 70 und 80 Prozent mehr Umsatz gemacht im zweiten Quartal, im Vergleich zum Vorjahr. Das finde ich absolut absolut eine krasse Entwicklung. Ich frage mich so ein bisschen, wie nachhaltig ist das?

Marcus: Ich bin auch immer viel mit Investmentfonds im Austausch. Ist zwar für Rose uninteressant, weil wir sind Inhabergeführt und wollen auch diese Unabhängigkeit bewahren, und solange wir es nicht müssen und aus eigener Kraft es schaffen, werden wir es auch weiterhin tun. Aber ich bin natürlich durch diverse Tätigkeiten und Ausschusssitzungen auch mit mehreren Fondsgesellschaften, und im Augenblick zum Beispiel ist die Investitionsbereitschaft von Fonds sehr zurückhaltend, weil sie sagen, es geht ja um die [unv.], was man jetzt den Unternehmen zahlen muss. Jetzt ist der Handel quasi explodiert. Die Online-Händler haben teilweise 30, 40, 50, ich kenne Online-Händler, die 100 Prozent mehr Umsatz hatten. Aber sie sagen: „Ich werde ja nicht auf diesen Umsatz von diesem Jahr bezahlen, weil nächstes Jahr bricht das wieder zusammen.“ Und diesen Sondereffekt muss man, den Corona-Sondereffekt berücksichtigen. Was du aber sagen kannst, dass ich mir sicher bin, dass wir jetzt erleben werden in den nächsten fünf Jahren, dass wir branchenübergreifend, in allen Branchen Anteiligkeiten von 30, 35 Prozent online erleben werden. Das heißt, das wird noch einmal 10 Prozent zunehmen und den Effekt 15 Prozent zunehmen, was sich verschiebt Richtung online, und das ist schon massiv. Das heißt, wir haben vielleicht jetzt nicht diesen Peak im nächsten Jahr wie wir in diesem Jahr hatten, das wird einbrechen. Aber gleichzeitig werden wir in den nächsten fünf Jahren deutlich an Verschiebung von offline nach online – noch schneller zunehmend als in der Vergangenheit – erleben. Was sind diese zwei Effekte?

Michael: Durch Corona?

Marcus: Durch Corona beschleunigt-

Michael: Es wäre sowieso passiert, aber durch Corona beschleunigt, meinst du?

Marcus: Absolut. Das hat auch nichts – es sind nicht nur die Onliner schuld, dass das sich das quasi so verschiebt – weil in vielen Städten – Guck mal, Stefan wohnt in Schöppingen, da ist der Hund begraben, ich wohne in Coesfeld, das ist eine tolle Stadt und da ist auch der Hund begraben – das würde jetzt meine Frau als Bürgermeisterkandidatin jetzt anders sehen, die würde jetzt vehement widersprechen – aber das heißt, viele Mittelstädte haben doch gar keine Chance mehr interessante Angebote stationär zu schaffen. Das heißt, die Kunden in Schöppingen können doch nur online kaufen? Also wo sollen sie sonst kaufen, wenn sie was brauchen?

Stefan: Du hast ja genau, Schöppingen ist ein gutes Beispiel mit 8000 Einwohnern und zehn Einzelhändlern vielleicht. Da bist du ja als Verbraucher auch gezwungen, also da hast du ja gar keine andere Option im Prinzip. Noch mal so in der Zusammenfassung: Also du meinst, was wir jetzt gesehen haben, klar, großer AO Effekt, große Peaks. Das wird sich irgendwo wieder harmonisieren, auf irgendeinem Level sozusagen einspielen. Aber das kann man ja festhalten auf einem deutlich höheren Level, wie wir das normalerweise gesehen hätten, oder?

Kpt. 8

Lehren für den Handel

Marcus: Absolut, absolut, und das dann zunehmend. Daher ist das die gute Chance, man muss ja immer antizyklisch agieren. Ich habe meine Erfolgsformel: „Agiere antizyklisch. Bist du in einer Krise, gebe Vollgas. Siehst du, dass jetzt gerade dieser Peak da war, dann nehme das Geld was du daraus verdient hast, baue dein Team auf, gebe jetzt noch mehr Gas, auch wenn das nächstes Jahr runtergeht. Siehe zu dass du dann auf der Gewinnerseite bleibst. Das sind so, wenn du jetzt darauf dich ausruhst, dass nächstes Jahr das Geld sowieso kommt wie in diesem Jahr, weil du dieses Jahr so krasse Umsatzzuwächse hast, dann wirst du Probleme haben. Nehme das und investiere jetzt und gebe Vollgas!“ Das ist wirklich meine dringende Warnung. Dann möchte man das noch mal kurz – von mir aus möchte ich gar nicht so lange was dazu sagen – nur ich möchte mal noch zur Corona-Krise: „Lieber stationärer Handel: Was ihr da verpennt habt, ist wirklich dramatisch. Ihr hattet sechs Wochen Zeit, vier Wochen Zeit, Ladenschließung. Aber es war klar: Die Läden werden wieder aufmachen. Das wussten wir nur nicht, wann? Kaum einer hat seine Marketingstrategie sich überlegt, für die Wiederöffnung. Kaum einer hat an seinem Ladenkonzept gearbeitet. Kaum einer, sondern alle sind in den Panikmodus verfallen. Und dann überraschend: Jetzt machen die Läden wieder auf. Was machen wir jetzt? Das heißt, macht diese Fehler nicht mehr, sondern jetzt Vollgas geben, denn das wird sich nach Online-Verkauf verschieben. Bitte, bitte, bitte Vollgas geben, und jetzt ist die einzige Taktik, die hilft. Oder wenn ihr es nicht wollt, tut mir einen gefallen und sterbt einfach, weil dann nehmt ihr auch wenigstens keine Umsätze weg.“

Stefan: Harte Worte! Aber letztlich, ich meine, hast du ja vollkommen Recht. Das ist jetzt so ein bisschen der Scheideweg? Man muss jetzt – entweder gibt man Gas und gestaltet die Handelszukunft weiter mit oder halt eben nicht. Ich glaube auch, so ein Zwischending gibt es da nicht mehr.

Michael: Da sind wir noch bei dem Punkt vom Anfang! Entweder erkennst du die Chance, und sagst einfach „Okay, es ist jetzt so, wie es ist.“ und ich meine, die haben ja dann auf einmal nichts mehr zu tun gehabt, ja? Und – nun also nicht ganz – aber du kannst doch mal überlegen, was machst du vielleicht? Was machst du bei Facebook? Was oder fang doch mal irgendwie an! Und da sind wir genau bei dem Punkt und da kommt dann einfach nichts. Aber lasst mich auch noch ein Satz dazu sagen: Ich glaube, oder für mich ist es Fakt, dass diese Sache einfach die ganze Welt verändert hat, in jederlei Hinsicht. Wir sehen jetzt nur mal alleine deine Einschätzung zu weiteren Anbaumaßnahmen, in diese Richtung. Wie geht man mit Mitarbeitern um, Marcus? Das verändert wirklich alles. Ich glaube, dass die Leute, die vorher gesagt haben: „Ich muss digitalisieren“, dass die jetzt sowieso – die brauchen keinen Weckruf mehr, die haben es jetzt gemerkt. Und jetzt kommt wieder das Problem und dann fällst du wieder ins alte Raster rein und sagst „Ja, okay, mache ich und so.“. Es ändert aber nichts daran, dass es die Welt verändern wird und dass online einfach zunehmen wird, weil jetzt alle gesehen haben, okay, das ist eigentlich die einzige Möglichkeit wie man durchkommt. Ich habe zufällig noch gelesen, die DHL-Zahlen, das fand ich auch ganz interessant. Die sind im Mai nochmal stark angezogen gegenüber dem April. Und jetzt erst im Juni, hat es sich etwas entspannt. Das heißt, die arbeiten auch auf einem höheren Level. Da siehst du ja schon, dass mehr Pakete unterwegs sind. Ich habe es gerade erzählt, deine Schwiegermutter, dein Schwiegervater, wie ich selber WD40 da kaufe. Ob das Sinn macht, für 5,60 ein Paket zu bestellen- aus Nachhaltigkeitsgründen? Guckt euch mal meine Seite an, retourensohn.de, dann wisst ihr Bescheid. Aber nichtsdestotrotz, das wird alles verändern und es wird nach oben gehen, das ist für mich unumstößlich, diese Tatsache!

Marcus: Ja, darum Gas geben, und vor allen Dingen, wer sagt jetzt, der kann so leicht reden, der hat doch sein cooles Team, tolle Leute, der weiß auch wie es geht. Vernetzt euch doch! Weil wir wissen auch nicht, wie es geht, aber wir haben immer die Kraft, wenn man jetzt sagt: „Ich weiß nicht, wie es geht, was ich machen soll“ – lasst uns doch vernetzen. Michael Atug mit seiner Gruppe hat eine geile Community, Stefan, ihr habt eine geile Community, wir haben mit „Händler helfen Händlern“ eine coole Community. Wenn man nicht weiß, wie es aber geht, fragte doch einfach anderen Händler. Aber vielleicht ist auch die Zeit vorbei, einzeln zu handeln, sondern jetzt muss man -und das hat Corona auch gezeigt, was ich im Corona-Effekt geil fand, dass alle Leute plötzlich miteinander geredet haben, die sonst so verschlossen in ihrer Firma saßen und vor sich hingearbeitet haben. Und auf einmal „Hey Marcus, wie macht ihr das? Wie habt ihr jetzt mal Insta-Live-Verkauf gemacht. Wie habt ihr das eigentlich gemacht? Wie funktioniert das? Ja, und dann? Oh, das ist ja gar nicht so schwer.“. Und ich habe welche gefragt „Wie hast du das eigentlich gemacht? Krass, ich habe was bei euch gesehen, kannst du mir das mal erklären.“ Und lasst uns damit weitermachen. Dann haben wir auch alle eine Chance uns schneller zu entwickeln. Ich glaube, das ist ja auch noch ein Corona-Effekt.

Kpt. 9

Der Einfluss der Krise auf Shopware

Michael: Jetzt haben wir ja viel geredet, wir beide. Aber ich würde den Stefan auch gern auch noch was fragen, wenn es geht? Was nimmst du eigentlich so Positives aus dieser Corona-Entwicklung mit, und welchen Einfluss hat vielleicht diese ganze Sache auf eure strategische Ausrichtung in den nächsten Jahren? Das ist ja glaube ich auch mal ganz spannend, weil die Shopware-Leute wollen ja auch mal hören, was du vielleicht denkst.

Stefan: Ja, absolut. Ich bin da ganz ehrlich. Corona hat bei uns ganz, ganz viel verändert. Auch vom Mindset, muss ich sagen. Also hättest du mich vor einem halben Jahr gefragt: „Kannst du dir vorstellen, dass mal deine ganzen Mitarbeiter remote arbeiten?“ hätte ich dir den Vogel gezeigt. Das wäre für mich überhaupt nicht in Frage gekommen. Das ist mal ein Beispiel aus der Arbeitswelt und ich glaube, das hat einen ganz, ganz nachhaltigen Effekt auch darauf, wie wir weiter skalieren. Das heißt, wir werden mit Sicherheit mehr darüber nachdenken, gründet man noch mal irgendwo eine Niederlassung, wo müssen wir noch Mitarbeiter rekrutieren. Es wird nicht mehr erforderlich sein, dass jeder vom Headquarter in Schöppingen aus arbeitet, sondern da werden wir deutlich flexibler werden. Und was Marcus vorhin beschrieben hat, dieses Thema „Opportunitäten sehen“, gerade in der Krise zu überlegen, wie können wir als Unternehmen auch langfristig davon profitieren, wie müssen wir uns neu aufstellen? Wir haben ja erst kürzlich die Cloudlösung von Shopware veröffentlicht, mit der wir auch nochmal ein ganz anderes Zielpublikum von Händlern ansprechen können. Auch Händler, die jetzt vielleicht aus der Corona-Krise heraus schnell und unkompliziert und einfach einen Online-Shop einfach haben wollen, für die dieser klassische Modus einfach viel zu kompliziert ist. Das sind so Themen, die wir ganz, ganz stark auch weiter vorantreiben wollen in den nächsten Monaten. Wir sind ja am Ende auch ein Ökosystem-Teilnehmer als Shopware, also ich sage mal ähnlich wie Online-Händler sind wir ja auch komplett eigentlich an den Erfolg unserer Händler gekoppelt. Das heißt, wenn es da erfolgreich weiter nach vorne läuft, wird mehr investiert und es werden mehr Shopsysteme dann auch mal gewechselt. Und das merken wir dann natürlich auch. Dafür müssen wir uns als Firma entsprechend auch gut aufstellen in den nächsten Monaten, um da auch da der Nachfrage auch gerecht werden zu können.

Kpt. 10

Das Projekt „Händler helfen Händlern“

Michael: Sehr, sehr cool. Marcus, ich habe noch eine Frage an dich tatsächlich: „Händler helfen Händlern“, haben wir schon ein paarmal etwas davon gehört. Ich würde auch mal in der Beschreibung zum Video, würde ich mal unsere unterschiedlichen Communitys auch verlinken, dass halt interessierte Zuhörer da auch eine Anlaufstelle haben. Was ist denn dein Gefühl bei „Händler helfen Händlern“? Ist da die Aktivität nach wie vor hoch? Oder merkst du da auch dass, ich sage mal, die die vorher in der Krise sehr aktiv gewesen sind, dass sich das gerade wieder ein bisschen zurücknimmt?

Marcus: Man muss sagen, jetzt ist mal eine dreiwöchige Ermüdungsphase eingetreten, weil vorher die Interaktionsrate so hoch war. Bei mir selbst aber auch. Weil wenn du – ich habe 50 Prozent meiner Zeit in dieses Pro Bono-Projekt gesteckt für sieben Wochen – und musste dann auch mal selber mal wieder ein bisschen ruhiger werden und jetzt einmal um den Alltag sich kümmern. Ab nächste Woche geht es wieder mit Vollgas hoch und dann steigt glaube ich die Interaktionsrate. Aber das hat man schon gemerkt, dass sechs, sieben Wochen sich so intensiv mit so einem Thema zu beschäftigen, hat alles ein bisschen strapaziert. Da muss jeder jetzt einmal wieder in die Ladenöffnung rein oder zurück in seinen Alltag. Wir werden ab nächster Woche da wieder hochfahren und das ist auch wichtig, das sind die nächsten Schritte. Und wir müssen – aber das wird schwerer sein, dieselbe Interaktionsrate zu erreichen wie vorher, weil das haben wir jetzt schon oft genug gesagt, viele jetzt denken: „Jetzt haben wir ja gar kein Problem mehr.“

Michael: Du darfst aber nie vergessen, das fällt jetzt vielleicht ein bisschen hinten runter – ich bin ja auch Admin in der Gruppe und Mitinitiator und kriege das ja auch immer mit – aber am Anfang war es ja auch wichtig für die Leute, mal einen Anlaufpunkt zu haben. Überhaupt mal irgendwo oder sind noch andere da? Man ist nicht so alleine. Das ist ein Wert, den kann man halt nicht bemessen. Und das ist halt der große Vorteil von Communities. Das darfst du dabei nicht vergessen. Klar war es jetzt etwas weniger, das stimmt auch. Das wird auch nie wieder so sein wie am Anfang, logischerweise. Aber es war irgendwas, wo die Leute nicht alleine waren. Das war in der Zeit, glaube ich, superwichtig. Also mal vom Community-Experten hier.

Stefan: Ja absolut, und da eine Anlaufstelle zu bieten, das hat ja perfekt funktioniert. Und ich glaube, da konnten wir ja auch vielen Händlern weiterhelfen auf unterschiedlichen Ebenen. Ich für meinen Teil bin total gespannt wie sich das alles weiterentwickelt. Ich hoffe wirklich, dass dieser Appell an die Händler, nachhaltig darüber nachzudenken, zu investieren, sich selber zu hinterfragen, dass das wirklich Früchte trägt, weil das am Ende für viele kriegsentscheidend sein wird, auch kriegsentscheidend über die weitere Zukunft des jeweiligen Händlers.

Marcus: Absolut! Darum, ich kann nicht müde werden diesen Appell zu sagen: „Bitte hört nicht auf, Gas zu geben. Das Problem ist nicht weg. Das ist nicht gelöst und nur Corona ist weg und denkt daran: Spätestens in drei, vier Jahren wird das sein, wie die Online-Verschiebung jetzt war, wird dann Normalität sein. Also das heißt, ihr habt jetzt vielleicht noch zwei, drei Jahre Zeit euch darauf vorzubereiten, aber tut es bitte!“

Stefan: Berühmte letzte Worte, Marcus. Michael, hast du auch noch berühmte letzte Worte an die-

Kpt. 11

„Macher kommt von machen“

Michael: Immer, immer! Das gibt es nicht, dass ich keine Worte habe. Aber es ist eigentlich etwas, was ich mittlerweile – es geht auch in die Richtung – und es ist etwas, was ich mittlerweile fast in jeden meiner Vorträge einbaue: „Macher kommt von machen. Es ist so unglaublich wie – wir hatten es doch zwei, drei Mal gerade – ja, da kommt nichts und dann überlegen die- macht doch einfach! Lauf Junge, gib Gas wenn du wirklich was erreichen willst, wenn du – was immer dein Antrieb ist – Porsche fahren, Häuser kaufen, keine Ahnung. Aber Macher kommt von machen und wenn du wirklich machen willst, dann mache!“ Und das ist das was ich wirklich nach wie vor jeden Tag mache und da hab ich einfach Bock drauf. Und deswegen habe ich aus so Bock mit so Leuten wie euch etwas zu machen, weil das inspiriert mich einfach. Manchmal ist es halt zuviel, weil immer das Negative und „Ich weiß nicht…“ und so und so. Ich weiß, das ist alles nicht einfach. Ja, ich habe Glück gehabt. Ich habe 2001 angefangen, habe mich dumm und dämlich verdient, als noch keiner da war. Ich habe die Anzüge für Adlon eingekauft. Ich habe Glück gehabt, ich habe viel Glück gehabt. Alles gut. Aber letztendlich, wenn du deinen Arsch nicht bewegst, passiert auch nichts! Meine letzten Worte. [unv.]

Michael: Zu laut geschrien, was? Ihr müsst euren Arsch bewegen, ohne geht es nicht! Ich sage immer so gerne: „Ja, das ist meine Meinung, das muss nicht die Wahrheit sein.“. Aber meiner Meinung nach ist das wirklich mal die Wahrheit!

Marcus: Ja

Stefan: Sehr gut. Alles klar, ihr zwei. Ja, ich hoffe liebe Shopware-Community, ihr konntet etwas mitnehmen für euch, es hat euch gefallen? Wir werden jetzt gleich im Anschluss nochmal ein bisschen philosophieren wie wir dieses Format fortführen und was wir für Themenideen haben für die Zukunft und ja – wir hören, wir sehen uns demnächst. Bis bald!

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