Als Gast Patric Faßbender
Kapitel | Thema | Zeitpunkt |
---|---|---|
Kpt. 1 | Patric Faßbender – Vom Grafikdesigner zum Erfinder der Toniebox | 00:14 |
Kpt. 2 | Der Heureka-Moment | 04:13 |
Kpt. 3 | Der Prototyp | 07:10 |
Kpt. 4 | Das Kind als Anwender | 08:46 |
Kpt. 5 | “Less is more” | 10:52 |
Kpt. 6 | Die Finanzierung | 13:20 |
Kpt. 7 | Die Anfangsphase | 16:47 |
Kpt. 8 | Der Verkauf auf Marktplätzen | 20:40 |
Kpt. 9 | Der Verkauf über den Fachhandel | 24:45 |
Kpt. 10 | Produktionsdauer, Portfolio und digitales Geschäftsmodell | 26:04 |
Kpt. 11 | Kein Exit | 30:44 |
Kpt. 12 | Geschäftsfelder in der Zukunft | 34:27 |
Marcus Diekmann: Moin, hallo und Servus, willkommen bei Dreimal digital. Ich freue mich total darauf, unseren Gast begrüßen zu dürfen, Patric Faßbender. Sein Produkt kennen viel mehr, nämlich die Toniebox. Seine Firma, der Name ist vielleicht vielen noch nicht so geläufig: Boxine. Tolles Unternehmen, tolle Geschichte. Ich freue mich darum, dass heute mit Dreimal digital mit meinen Partnern Stefan Hamann und Michael Atug gemeinsam machen zu dürfen. Und ich sage einmal, wir legen direkt los: Patric, toll, dass du da bist. Willst du einmal ein paar Sätze zu dir selber sagen und dich kurz selber vorstellen?
Patric Faßbender: Ja. Patric, 50 Jahre alt, zwei Töchter, eigentlich Grafikdesigner von Hause aus, und habe vor sieben Jahren jetzt schon, Ende 2013, zusammen mit Marcus Stahl die Boxine gegründet, um eben die Tonies und die Toniebox in den Markt zu bringen.
Marcus Diekmann: Ja, super. WIr haben ja gerade schon darüber philosophiert – was für eine krasse Geschichte mit den Tonies. Ich hatte das ja dir erzählt auch, in der Vorbereitung: Meine ältere Tochter ist viereinhalb. Ich habe ihr die erste Tonie gekauft, heute haben wir zwei Boxen. Die erste, da war sie eineinhalb. Ich habe euer Produkt gesehen und mich verliebt. Unglaubliche Geschichte. Wie kommt man darauf? Ich meine, du hast für eine E-Commerce-Firma gearbeitet, du hast Grafikdesign studiert, du hast Kinder, das verstehe ich. Aber wie kommt man darauf und denkt: „Eigentlich gibt es doch schon Spotify und Co.. Warum muss ich jetzt die Toniebox erfinden?“ Was war so nervig an deinem Leben, dass du die erfinden musstest?
Patric Faßbender: Das fing im Prinzip mit kaputten CDs an, die bei uns sehr häufig vorzufinden waren, weil die immer in den Parkettboden rutschten und meine Kinder im Alter von drei und fünf Jahren eben nicht so sorgfältig damit umgingen wie man es ja auch erwarten kann. Und dann waren die ständig kaputt. Und das hat mich total genervt, also mich und meine Frau, dass wir nach einer Alternative gesucht haben und keine gefunden haben die uns glücklich gemacht hat. Wir wollten unseren Kindern eben auch kein Smartphone oder kein iPad permanent in die Hand drücken. Und da war ich sehr überrascht, dass es eigentlich keine Alternative gibt zu diesen CDs, die ja damals immer noch sehr verbreitet zwar waren, immer noch sind, so ein Stück weit, aber das nimmt schon rapide ab. Und das war so der Moment, wo ich dachte: „Das kann man noch besser machen,“ Und habe mich auf den Weg gemacht, mich damit auseinanderzusetzen.
Marcus Diekmann: Okay, ich verstehe das: CDs kaputt, Handy und so, keine Alternative. Hattest du dann verschiedene Boxen dir kommen lassen und ausprobiert? Weil, das gab es ja schon so in Holzform oder in anderer Art und Weise, und hast du gedacht: „Das reicht mir alles nicht. Ich muss das neu erfinden.“ Und wo kam dann der Weg von dem Impuls bis hin zum Markt-Research bis hin zu dieser Toniebox, die ja wirklich grandios ist?
Patric Faßbender: Zum einen war ich glücklicherweise auch beruflich in einer Situation, wo ich unbedingt etwas Neues machen wollte. Ich war sehr davon getrieben, mich beruflich zu verändern. Ich war lange im Agenturgeschäft, zuletzt als Kreativdirektor da bei Ogilvy, und irgendwo wusste ich da: „Ich bin hier irgendwie am Ende meines Weges. Ich werde da nicht mehr glücklich. Es macht mir keinen Spaß mehr.“ Insofern war ich auch auf der Suche nach irgendetwas Neuem, Inspirierendem. Und ich habe immer schon so ein, ich weiß nicht, ob man es Gründergen oder Unternehmertumgen oder was auch immer nennt. Aber ich habe auch immer Bock, etwas zu machen, dass war auch zu Agenturzeiten immer so, und war immer so ein bisschen getrieben. Als ich dieses Problem gesehen habe mit kaputten CDs, war das vielleicht so eine Tür, die da für mich einen Spalt breit aufging, dass ich das Gefühl hatte: „Es macht Sinn, etwas zu entwickeln, was für meine eigenen Kinder ist, was sie vielleicht am Ende des Tages glücklich macht.“ Inhaltlich bin ich selber mit Drei Fragezeichen, also Europa-Kassetten, groß geworden, Fünf Freunde und so. Daran habe ich eine tolle Erinnerung und dachte halt so: „Das ist es wert, mich damit auseinanderzusetzen“, und habe mich auf den Weg gemacht. Das war eigentlich eher so der Kontext.
Michael Atug: Ich steige hier einmal ein, ich grätsche einmal hinein. Marcus hat gesagt, er hat sich in die Box verliebt. Ich hatte da andere Gefühle, ich persönlich. Ich habe sie verflucht, weil ich einfach gedacht habe: „Hä? Die Kohle für so ein Ding? Was soll das? Und dann so ein Figürchen. Das Ding landet nach zwei Wochen da irgendwie in der Ecke und das war’s dann.“ Jetzt, nach ein paar Jahren Abstand, weil meine Kleinste liebt das Ding ja auch heiß und innig, vor allem den Kreativ-Tonie, wo ich dann ihr Schlaflied aufgesungen habe, aber das geht jetzt zu weit. Ich will ja nur sagen: Ich habe wirklich am Anfang gedacht: „Nee, so ein Käse. Das steht wieder rum, und du machst und tust.“ Ihr habt im Dezember 2013 gegründet, kann das sein?
Patric Faßbender: Ja, genau.
Michael Atug: Wann war denn so das erste Mal der Moment, wo du gedacht hast: „Shit! Das klappt. Da passiert tatsächlich was!“?
Patric Faßbender: Erst einmal, als ich auf die Idee kam, war ich, und das ist für Kreative ja nicht immer so, sofort total überzeugt davon. Ich bin eher so ein zweifelndert Typ auch gewesen. Aber das war einer dieser Momente, wo man das Gefühl hat: „Das ist echt geil, das kann was werden. Das ist einfach ein total schönes Konzept, ein schöner Ansatz. Das ist super.“ Ausgelöst durch Struppi von Tim und Struppi, der stand damals bei mir auf dem Schreibtisch. Das war so ein bisschen dieser Heureka-Moment, wo du sagst: „Und wenn der jetzt irgendwo draufgestellt wird, und der spielt was ab, das ist es doch!“ Und alles andere hat mich ehrlich gesagt gar nicht mehr interessiert. Ich war jetzt nicht so unterwegs, dass ich gesagt habe, das muss erfolgreich werden oder der Umsatz, die Anzahl von Kunden, die wir gewinnen wollen. Das hat mich alles null Komma null interessiert. Ich war nur auf das Produkt und auf das Konzept konzentriert. Und die ganzen anderen Themen waren irgendwann natürlich auch notwendig. Wenn man irgendwie Kapital organisiert, bräuchte man idealerweise einen Businessplan und ein paar Ideen, wie man denn die nächsten Jahren geht. Aber das war am Anfang gar nicht so. Ich habe auch nicht daran gedacht, dass manche auf die Idee kommen könnten, man zieht Eltern Geld aus der Tasche, weil man ständig Tonies kauft. Das macht man bei CDs und so weiter ja auch. Ich wollte ein geiles Bedienkonzept haben, und die Tonis sind einfach ein sehr simples, sehr schönes, emotionales Bedienkonzept am Ende des Tages. Darum ging es. Und nicht um die ganzen anderen Fragestellungen, die ich vielleicht zum Teil auch verstehe. Aber die haben mich null beschäftigt in der Phase.
Michael Atug: Aber das ist Unternehmertum. Das stelle ich immer wieder fest. Die Leute, die wirklich was erreicht haben, für die steht nicht immer im Vordergrund Geld oder irgendein Exit oder so. Sondern die haben einfach Bock, irgend etwas zu machen. Und dann laufen die da auch los wie die Wilden. Und ich glaube, gerade das sind die, die da am Schluss auch erfolgreich bei herumkommen, weil die einfach nicht so viel an „Was wäre, wenn ich scheitere? oder an etwas anderes denken, an negative Gedanken. Sondern Sie wollen Ihr Ding nach vorne bringen. Und ob du dir da abends die ein Steak reinhaust ein Spiegelei mit Brot – du bist satt und da hast du Bock drauf. Das finde ich cool.
Patric Faßbender: Ja, kann ich zu hundert Prozent unterschreiben. Genau das ist es. Auch die Gründung war eigentlich nur ein notwendiges Übel, um voranzukommen. Aber wir sind nicht an den Start gegangen: „Wir gründen jetzt mal und dann überlegen wir, was wir machen.“ Insofern kann ich das komplett unterstreichen.
Stefan Hamann: Was mich noch einmal interessieren würde: Von dem Impuls, von der Idee über den Prototypen. Gab es so etwas wie einen ersten Prototypen und wenn ja, habt ihr den selber gebaut? Oder hattet ihr Leute im Bekanntenkreis, die euch da geholfen haben? Oder wie kam es dann praktisch einmal zu diesem ersten Hardware-Erlebnis?
Patric Faßbender: Wir hatten am Anfang ein paar Mockups. Ich habe sehr schnell eine sehr konkrete Vorstellung vom Konzept und vom Design gehabt. Das, was jetzt quasi zu kaufen ist, ist zu 95 Prozent das, was damals, Anfang April 2014, auch da war. Ich bin dann mit Scribbles und Ideen und Stoffmustern und so weiter zu einer Freundin gegangen, die Polsterin ist in Düsseldorf. Und die habe ich gebeten, mir einen ersten Würfel, der war zehn mal zehn Zentimeter, nicht zwölf mal zwölf, Kantenlänge, zu nähen, der auch schon Ohren beinhaltete und so Nähte, wie wir sie jetzt haben. Die nennt man Kappnähte, das kennt man aus der Automobilindustrie an den Sitzen. Sind relativ schwer, in so einem kleinen Format umzusetzen. Aber die sehen halt viel wertiger aus als so eine einfache Naht. Also all diese Ideen waren da. Und das hat die liebe Lydia umgesetzt. Und das waren so die ersten Design-Typen, Prototypen, aber ohne Funktionalität. Die halfen aber ungemein, um das Konzept zu transportieren, weil sofort jeder so ein Lächeln auf dem Gesicht hatte, wenn man ihm demonstriert hat, was man da vorhat.
Michael Atug: Weil es gerade so interessant ist, weil du das gerade so erzählst. Ich bin ja auch Angler. Letzte Woche einen fetten Hecht gefangen, 1,25 Meter. Und ich sage immer so gerne: „Der Wurm muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler.“ Weil das vergessen ja immer ganz viele. Jetzt bist du da mit deinen Leuten oder mit Frau oder mit deinem Mitgründer, und ihr wart da dran. Wann war euch denn klar: „Wir müssen auch mal die Kids fragen!“ Also die, die es letztendlich brauchen, weil das ist ja immer das Problem, das du immer denkst, du weißt alles. Aber du weiß eigentlich gar nichts. Sondern der Anwender muss ja wissen, was wirklich geil für ihn ist.
Patric Faßbender: Ja, absolut richtig. Es gab da zwei Pfade eigentlich. Zum einen hatte ich ja meine eigenen Töchter. Das war natürlich perfekt. Die waren genau vom Alter her in der Zielgruppe, permanent zuhause und Opfer für jede Fragestellung, die sich bei mir ergeben hat. Ein sehr, sehr kleiner Kreis, aber doch für mich der wichtigste damals. Das andere Thema war: Ich habe mich auch sehr intensiv mit dem Thema Design für Kinder auseinandergesetzt. Und dann stellt man fest: Es gibt gar nicht so viel. Wirklich relevante Literatur gibt es nicht so viel. Es gibt ein paar Studien, und da bin ich schon auch hineingegangen in das Thema. Da stellt man auch ganz schnell fest, dass ganz viele Designs, die für Kinder entwickelt werden, gerade auch im Elektronikbereich unfassbar aus Älterenperspektive, aus Erwachsenenperspektive, vorangetrieben werden. Ein schönes Beispiel, was ich da immer bringe, ist Plus und Minus für laut und leise. Ein zweijähriges Kind kann das noch nicht, weiß noch nicht, wofür Plus steht und wofür Minus steht. Es wird trotzdem umgesetzt. Und davon habe ich mich versucht, total zu lösen und das Klapsen für Vor- und Zurückspulen als auch eher spielerischen Ansatz betrachtet. Die Ohren mit den unterschiedlichen Größen für die Lautstärke – das waren so Ideen, die aber eigentlich auch auf einer längeren Auseinandersetzung mit dem Thema Design für Kinder zurückgingen und auch immer wieder mit meinen eigenen Kindern verprobt wurden, sozusagen.
Marcus Diekmann: Bevor ich dich jetzt gleich frage als ehemaliger Gründer – und Stefan ja auch, und eigentlich habe alle, die hier sitzen, gegründet, Michael auch – wie du das Ganze eigentlich bezahlt hast am Anfang, und wie die Gesellschafterstruktur war, ob ihr zur Bank gegangen seit, Eigenkapital eingelegt habt, noch einmal eine andere Frage: Die spannendste Sache, die ich immer diskutiert habe in deinem Zusammenhang, war:
„Eigentlich kann die Box ja nichts. Komm, da sind kleine Ohren dran, große Ohren dran, ist ein bisschen gepolstert.“ Und das finde ich gerade das Geniale. Ich meine, das habe ich in der Matratzenbranche früher auch erlebt mit bett1. Ist auch nicht die beste, aber die ist, auch wenn es jetzt betriebswirtschaftlich kein sauberer Begriff ist, reduced to the max. Und das finde ich bei dir auch, weil mir fehlt nichts an deiner Box. Aber dennoch ist es ja heute im Hightech-Zeitalter eigentlich ja nicht das krasseste Ding ever. Wie hast du dich selbst gebremst und hast nicht gedacht: „Ich muss noch eine Funktionalität reinlegen und noch eine und noch eine.“ Das finde ich das Schwerste, wenn man so an der Produktentwicklung feilt.
Patric Faßbender: Also erst einmal, in der Grundidee war es in der Tat wirklich sehr, sehr reduziert. Aber es gab auch eine Phase, wo dann plötzlich wirklich hier „Noch ein Aal und noch ein Aal“, noch mit Bluetooth integriert und Bildschirm integriert und all das. Aber da muss man sagen, wir haben irgendwann, als wir angefangen haben, Marcus und ich, dann haben wir auch die ersten zwei Leute, zwei Ex-Kollegen von mir, den Sven und den Chrissy mit hineingeholt, die wahnsinnig auch mitgearbeitet haben an der ganzen Produktentwicklung. Wir haben uns immer wieder kritisch hinterfragt, und irgendwann kam mir an den Punkt, wo wir wirklich realisiert haben: Es geht im Wesentlichen um das Thema Hören und um nichts anderes. Alles andere ist Firlefanz drumherum, das ist aufmerksamkeitshaschend, Eltern glücklich machen. Das Kind legt keinen Wert darauf, ob es noch eine Bluetooth-Integration hat. Das Kind wird eher leiden, wenn da ein Bildschirm verbaut ist. Das ganze Produkt, das ganze Konzept wird leiden, weil es geht um das Thema Hören. Und nicht um Kinder, die die ganze Zeit auf in Display gucken, wo irgendwie nichts passiert. Wir waren sehr kritisch, auch uns selbst gegenüber. Aber wir hatten eine Phase, wo viele Funktionalitäten drin waren. Am Ende des Tages haben wir auch eher den Grundsatz verfolgt „Less is more“ – reduziere dich auf das wirklich Wesentliche. Und das ist das was irgendwie das Thema Hören betrifft und die spielerische Auseinandersetzung mit dem Produkt. Das war kein einfacher Weg, weil man muss in der Tat ab und zu einmal Sachen opfern, die man aber rechts und links immer wieder hört. Jeder Bänker kommt direkt: „Habt ihr denn auch Bluetooth oder so?“ – „Nee, wollen wir aber nicht.“ Oder Bildschirm: „Könnte doch auch ein Bildschirm verbaut werden“ – „Ja, könnte, aber ist nicht. Bringt nichts, st nicht gut für das Produkt.“
Marcus Diekmann: Kompliment. Ich glaube, da können ganz viele viel von lernen, weil ich glaube, gerade Deutschland als Ingenieursland: Overingeneering, das ist ein schönes Wort. So. Wie hast du die ganze Kiste bezahlt? Jetzt habe ich verstanden, du bist angefangen und hast den Marcus dazugeholt. Hat der Marcus die Kohle mitgebracht hat oder wie war das?
Patric Faßbender: Nein. Aber erst einmal, das muss man auch noch einmal ganz klar herausstellen: Das war ein Geschenk, das Marcus und ich gemeinsam gegründet haben. Ich hätte das niemals alleine aufbauen können.
Michael Atug: Stimmt es, dass ihr euch im Kindergarten kennengelernt hat bei euren Kids?
Patric Faßbender: Im Kindergarten unserer Kinder, genau. Das hört sich auch immer so PR-Story-mäßig an. Aber dem ist nicht so. Wir haben zusammen Vorstandsarbeit gemacht in einem Kindergarten, in einer Elterninitiative. Und da lernt man sich, glaube ich, auch echt gut kennen. Weil da gibt es auch Situationen, die sind eher so, wenn Eltern ihre eigenen Kinder… Das ist ja das Größte überhaupt. Und dann sind ja viele Eltern drüber. Das war ein Umfeld, wo man Menschen sehr gut kennenlernt und da habe ich Marcus wirklich sehr schätzen gelernt. Ich kannte seinen Background. Er war bei Nokia und hat ein Unternehmen herausgekauft bei Nokia, und in der Automobilzuliefererindustrie gearbeitet, hatte eine kleine Beteiligung. Also er hat viel mitgemacht, was ich so nicht hatte: Ingenieurs-Background, Finance-Background, hat einen MBA gemacht. Ihn habe ich damals angesprochen, und das war wirklich ein Sechser im Lotto, weil wir unfassbar gut zusammenpassen. Ich hatte damals auch ziemlich lange Haare und immer Bands und Cap auf, also eher so ein Paradebeispiel für einen Möchtegernkreativen. Und Marcus eher so das Hemd und die Stoffhose. Und wir waren ziemlich gegensätzlich vom Erscheinungsbild her. Aber das hat super funktioniert, weil wir alles bedienen konnten in gewisser Weise, für jeden war etwas dabei. Und gleichzeitig sind wir inzwischen, was auch echt geil ist, superenge Freunde geworden. Das ist ja auch selten, dass man in so einer spannenden Zusammenarbeit mit so vielen Hürden auch so zusammenwächst. Das war erst einmal ein Sechser im Lotto. Das hat erst einmal super funktioniert von Tag eins an eigentlich. Die Zusammenarbeit mit Marcus, wir teilen die gleichen Werte, haben die gleiche Haltung zu dem was wir hier machen und war wirklich eigentlich mit eines der größten Geschenke der ganzen Sache. Aber er hatte auch so ein bisschen Erfahrung mitgebracht, was Gründen angeht oder was auch Finanzierung angeht durch sein vorheriges Thema. Es war eigentlich ein Impuls von seiner Seite aus: „Lass‘ uns lieber gucken, dass wir im Family-und-Friends-Umfeld uns Geld organisieren als über irgendwelche anderen Wege.“ Und das haben wir dann auch gemacht. Und da wir eben auch schon ein bisschen älter waren, Mitte 40, haben wir eben geschaut, wer bei uns im bekannten Freundeskreis ist, der ein bisschen solventer ist und haben so das erste Kapital eingesammelt. Das waren damals 600.000 Euro. Dann haben wir direkt gegründet, Büro angemietet und erste externe Dienstleistungen eingekauft, die Entwicklung an der Toniebox sozusagen. Und haben dann bis zum Launch aber noch einmal fast 10 Millionen Euro benötigt, um das Ganze an den Start zu bringen. Und das dann eben auch durch weitere Gesellschafter, die im Laufe der Jahre dazu kamen in den ersten drei Jahren, auch entweder Family und Friends oder halt strategische Partner, die wir unterwegs getroffen haben. Die in irgendeiner Form noch einmal einen strategischen Aspekt abgedeckt haben, den wir für wichtig erachtet haben.
Stefan Haman: Was war denn am Anfang, also so für diese erste Finanzierung, der größte Kostenblock? War das die Hardware-Produktion? Waren das auch die ersten Lizenzen, die dann möglicherweise erworben werden mussten?
Patric Faßbender: Das war eigentlich die technische Entwicklung, also die Hardware-Entwicklung voranzutreiben. Die Firmware der Box, das ist ja auch eine Eigenentwicklung, die wir da aufgesetzt haben, das waren so die teuersten Kostenblöcke. Lizenzen eigentlich nicht. Das war sehr viel Arbeit, aber war jetzt kein kapitalintensives Thema.
Marcus Diekmann: Wo du das gerade sagst, wie müssen wir uns das vorstellen? Am Anfang kannte euch ja keiner. Jetzt gehst du dahin und sagst: „Wir haben das und das vor.“ Wird man da eher ausgelacht oder war das schon so, dass die sich gemeldet haben, die Leute? Und jetzt ist es wahrscheinlich zehnmal leichter als am Anfang, würde ich mal sagen, weil wahrscheinlich derjenige, den du fragst, selber eine Toniebox bei seinem Kind im Schlafzimmer stehen hat.
Patric Faßbender: Ja, das muss man auch total unterscheiden. Also die Phase, wo wir nicht am Markt waren, auch noch so ein bisschen unter dem Radar waren. Ich habe mich manchmal auch gefragt, wie das funktioniert, dass wir mit so einem grünen Mockup, der nicht funktioniert und einem Günther Kastenfrosch, den wir beim Kaufhof gekauft hatten, um das zu demonstrieren, so gut vorangekommen sind. Aber irgendwo haben wir beide ausgestrahlt, dass wir so dafür brennen und so viel Leidenschaft haben. Das ist, glaube ich, schon einmal ein wahnsinnig wichtiger Aspekt gewesen. Man hat uns angemerkt: Die Jungs werden das durchziehen, die lassen sich durch nichts aufhalten. Und dann war der Case auch für jeden nachvollziehbar. Also jeder hat es verstanden eigentlich. Wir haben überall immer so ein Lächeln auf dem Gesicht gehabt, wenn wir das gezeigt haben, was wir machen wollen. Und das war ein Türöffner, dieses Produkt. Ich weiß nicht, wie es ist, wenn man irgendetwas macht, was vielleicht nicht so emotional ist, dann ist das schwieriger. Aber in jedem Fall haben wir einfach auch jeden irgendwo direkt emotional gepackt, und das hat uns Türen geöffnet. Bei den Lizenzen war der große Vorteil: Wir haben eine neue Kategorie gebaut, die gab es vorher nicht. Insofern war uns auch jede Lizenz zugänglich. Das war aber auch ein Aspekt, den wir gar nicht auf dem Schirm hatten. Das haben wir dann irgendwann gemerkt. Insofern konnten wir da, zumindest in der Theorie, auch alle Lizenzen einkaufen.
Michael Atug: Das ist krass, ich habe mir das beim Bundesanzeiger angeguckt. Ich meine, 2017: irgendwo 16 Millionen Umsatz. 2018 dann schon über 55 Millionen Umsatz. 2019, habe ich nur gelesen im Internet, kann ich nicht beurteilen. Kannst du besser beurteilen als ich: 100 Millionen geknackt. 15, 55, 100 Millionen. Jeder, der Unternehmer ist oder der mit Zahlen sich auseinandersetzen darf, der weiß, was das für eine krasse Geschichte ist. Also Wahnsinn. Hättest du daran geglaubt, dass es so abgeht? Das ist ja fast unfassbar.
Patric Faßbender: Nein. Um einmal ein bisschen zu beschreiben, wie naiv wir auch da marschiert sind: Im April 2014 ist die Idee eigenlich so konkret gewesen, da dachte ich: „Ach, so an Weihnachten haben meine Kinder das unter dem Tannenbaum.“ So naiv war ich, weil ich keine Ahnung hatte von Produktionszeiträumen, dass allein die Entwicklung eines Werkzeugs für die Spritzgussteile schon drei Monate braucht. Ich hatte überhaupt kein Gefühl für Zeiträume. Das zeigt vielleicht auch, in allen anderen Bereichen waren wir auch so ein Stück weit unbekümmert und naiv, was ein unglaublicher Vorteil ist, meiner Meinung nach, diese Unbekümmertheit und auch Naivität, weil die dich vor vielem bewahrt. Ich habe das niemals gedacht. Wir dachten, wir bauen ein Nischenprodukt für das deutsche Kinderzimmer. Das war unsere Auffassung. Und eigentlich war auch das Markt-Feedback immer so: „Produkt klasse, aber ei, ei, ei, so ein Produkt wird der Handel, Buchhandel niemals verkaufen. Viel zu teuer. Und dann noch Elektronik, da haben die schlechte Erfahrungen mit gemacht. Davon könnt ihr im Jahr maximal 8.000 Stück verkaufen.“ Wir haben viele solche Aussagen bekommen, auch von Leuten, die das Produkt eigentlich super fanden, dass wir eigentlich auf dem Level unterwegs waren.
Michael Atug: Ich hatte das in der Runde vorher schon erzählt. Von wegen 8.000. Euer Produkt ist so ein heißer Scheiß, dass er bei Thalia in Coesfeld an einem Samstag komplett leer geklaut wurde. Da wurde der ganze Ständer mitgenommen, das muss man sich einmal vorstellen. So heiß begehrt die Ware hier. Alles andere wurde nicht geklaut, nur eure Tonie-Figuren.
Marcus Diekmann: Coesfeld, sage ich da nur.
Stefan Hamann: Ändert sich ja jetzt alles mit der neuen Bürgermeisterin.
Marcus Diekmann: Genau, habe ich auch gehört.
Stefan Hamann: Michael, würdet du noch diese spannende Diskussion am Anfang mit den Marktplätzen… Das fand ich ja auch sehr interessant.
Michael Atug: Genau. Schön, dass du darauf noch kommst. Meine Expertise ist, lieber Patric, Marktplatzgeschäft. Also eBay, Amazon, die ganzen Marktplätze, Rakuten und was es alles so gibt. Wie ist das? Habt ihr euch mit dem Thema überhaupt einmal irgendwann beschäftigt? Oder ist das so etwas, was der Fachhandel einfach mitmacht? Ich hab gerade einmal geguckt. Also den Dschungelbuchbären gibt es bei Amazon für 14,33 Euro, den verkauft Amazon direkt. Der nächste günstigste Anbieter ist dann für 70 Cent mehr irgendein Fachhandel. Und bei ebay kostet das Ding 17,50 Euro, sage ich einmal. Allerdings bei Amazon ein bis zwei Monate Lieferzeit, bei eBay wäre er im Moment noch lieferbar. Wie ist das mit dem Markplatz? Habt ihr darüber überhaupt einmal nachgedacht? War das für euch ein Thema oder lief das einfach so unter „ferner liefen“ mit? Ist halt mein großes Thema, deswegen bin ich da immer hinterher, das zu verstehen?
Stefan Hamann: Und warum habt ihr es nicht selber gemacht?
Patric Faßbender: Also, Amazon Marketplace zum Beispiel haben wir ja. Fangen wir vielleicht vorne an. Wir sind wirklich überrannt worden von der Nachfrage. Das haben wir nicht im Entferntesten geträumt. Wir sind komplett ausgehebelt worden. „Diese 8.000 pro Jahr“, war damals so eine Aussage, „das wird schon viel sein.“ Das haben wir natürlich nicht geglaubt haben, wir haben an mehr geglaubt. Aber wir waren so ausverkauft in den ersten zweieinhalb Jahren. Das war ein einziges Verteilungsproblem, was wir am Ende des Tages hatten. Alle haben geschrien: „Wir wollen Ware!“ Und wir mussten irgendwie sicherstellen, dass ein bisschen was auch ankommt. Da haben wir wenig, glaube ich jedenfalls im Nachhinein, strategisch agiert, sondern wirklich so ein bisschen: Löcher stopfen, wer am lautesten schreit… Es war ein einziger Kampf für uns intern, damit klarzukommen. Das hat die ganze Organisationsstruktur schrubbelig gemacht, sodass wir nicht wirklich strategisch unterwegs waren. Wir haben irgendwann einmal so ein Amazon-Marketplace aufgesetzt gehabt, den aber nie mit eigener Ware bestückt, weil wir eben nie genug hatten. Und wir wollten eben auch den Fachhandel nicht außen vor lassen, weil wir von Anfang an daran geglaubt haben, dass der Handel für uns superwichtig ist. Wir haben ein komplett neues Produkt, was erklärungsbedürftig ist, was auch stark über die Haptik kommt und die Qualität, was man vor allen Dingen, auch wenn man es einmal sieht und anfasst, besser begreift, und deswegen hatten wir von Anfang an auch so eine Fachhandelsstrategie. Und wir wollten jetzt nicht in dem Moment, wo wir ein bisschen Ware übrig haben, oder generell, dem Fachhandel das vorenthaltenen und selber über unsere eigenen Kanäle bespielen. Deswegen haben wir unseren eigenen Webshop und Amazon zum Beispiel sehr lange sehr, sehr klein gehalten. Wir machen das eigentlich immer noch. Da müssen wir uns ein bisschen von auch lösen. Wir müssen auch gucken jetzt: Wir sind in so einem Spiel unterwegs, dass wir auch was die Margen-Seite angeht, uns ein bisschen besser aufstellen, dass wir auch sicherer fahren, indem wir auch verschiedene Standbeine haben. Aber da fangen wir gerade erst einmal mit an, weil wir in der Tat wirklich immer nur hinterherliefen.
Marcus Diekmann: Hattet ihr einmal kurz darüber nachgedacht – ich meine, ich mag den Fachhandel, nicht, dass ihr das falsch versteht – und als Initiator von Händler helfen Händlern kämpfe ich auch ständig für den Fachhandel. Aber dennoch kann man ja einmal auf die Idee kommen, wenn man so ein neues Geschäftsmodell aufzieht: „Ich mache es nur selektiv oder vertikalisiert und bringe alles nur in Eigenregie heraus und mache es gar nicht mit dem Fachhandel.“ Hattet ihr kurz darüber nachgedacht? Oder war die Zeit gar nicht da?
Patric Faßbender: Nein, nein. Marcus und ich haben immer gesagt, wir wollen immer mit Haltung durch’s Leben marschieren, auch in Sachen Tonies. Und wir fänden es auch ehrlich gesagt egal ob es funktioniert oder nicht, erst einmal scheiße, irgendwo in so einem Kanal Unternehmen aufzubauen und dort auch die Basis zu setzen und dann im nächstbesten Moment zu sagen: „Wir ziehen jetzt alles ab, weil wir glauben, wir könnten jetzt alles irgendwie über eine Direktebeziehung zum Kunden verkaufen.“ Ich glaube, es würde nicht funktionieren, aber so ticken wir auch nicht. Es gibt aber schon auch Situationen, wo wir merken: „Wow!“ Wir werden mit Themen konfrontiert, auch von der anderen Seite her, wo man auch manchmal denkt: „Auch ein bisschen schief.“ Wir werden dann auch nicht so richtig gehört, solche Momente gibt es dann auch. Aber das ist ja auch völlig normal, glaube ich. Wir haben wahnsinnig viel dazugelernt in den letzten Jahren. Wir kommen nicht aus der Branche. Wir haben vielleicht ab und zu einmal Fehler gemacht. Aber so vom Grundsatz her ist der Fachhandel für uns eine wahnsinnig wichtige Säule und wird es auch bleiben.
Stefan Hamann: Unterstützt ihr den Fachhandel denn in Sachen Marketing, Marketingkampagnen und so weiter und so fort? Also habt ihr auch ein starkes Direktmarketing? Dass ihr Social Kanäle bespielt oder so? Oder ist das mehr eigentlich über den Fachhandel ausgespielt?
Patric Faßbender: Das ist eigentlich über den Fachhandel in erster Linie. Ich bin da jetzt aber nicht so tief drin, dass ich dir genau sagen könnte, was die Prozente angeht. Aber wir (unv.) uns da schon auf die ganzen (unv.). Die fordern es ja auch ein, also vor allem die Großen. Das ist für uns auch ein großer Kostenblock, der dort existiert.
Marcus Diekmann: Aber hier siehst du ja, bei Instagram: Hier ist die Ankündigung von Peppa Pig und 8.000 Likes. Das ist schon ganz cool. Hand auf’s Herz: Was ist deine Allerlieblingsfigur, Lieblingsgeschichte, die du jemals rausgebracht? Und hast du die überhaupt alle selbst angehört?
Patric Faßbender: Ja, noch schaffe ich das. Aber kann ich dir nicht beantworten. Es gibt so eine Top 5 oder Top 10, aber die eine, die kann ich nicht herauslösen.
Stefan Hamann: Die Fuchsbande ist gerade ganz heiß im Kurs und meinen Sohn wirst du ja mit Peppa gewinnen, denn er ist wirklich ein Riesen-Peppa-Fan.
Michael Atug: Wie lange dauert es denn eigentlich von der Idee oder dem Erstgespräch mit einem Lizenzgeber, bis der fertige Tonie im Laden steht? Das würde mich einmal interessieren.
Patric Faßbender: Das ist etwas, was uns leider immer noch ziemlich frustriert. Aber wenn man es genau nimmt: Um die 70 Wochen, die wir benötigen. Ein wirklich sehr, sehr aufwendiger Prozess, der dahintersteckt. Das unterschätzt man, glaube ich total. Aber es ist in der Tat von den ersten Gesprächen, Verhandlungen, Lizenzvertrag: Je größer der Lizenzgeber wird, desto länger dauert dieser Prozess und nerviger ist er auch am Ende des Tages, weil wir da auch wieder keinen Standardvertrag haben. Wir haben andere Parameter, die müssen meistens verhandelt werden. Und dann der ganze Freigabeprozess des Designs der Figur. Die haben innenliegend ja auch eine relativ aufwendige Technologie. Die müssen (unv.), Magnet, die müssen in einer bestimmten Anordnung zueinander stehen. Das muss freigegeben werden. Dann beginnt der Werkzeugbau in China. Dann wird das Werkzeug irgendwann von China nach Tunesien verschickt, wo die Tonies produziert werden. Dort wird die Produktion angefahren, dann werden die Samples wieder freigegeben. Und dieser ganze Prozess dauert wahnsinnig lange, was uns leider auch so ein bisschen immer einengt, was das Portfolio angeht.
Stefan Hamann: Und habt ihr da überlegt, wie ihr das schneller macht? Also ich sage jetzt einmal, jetzt sind gerade die Minions superheiß und du kannst es erst 70 Wochen später ausrollen. Das ist natürlich – da juckt es ja an sämtlichen Körperstellen.
Patric Faßbender: Ja, schlimm ist das. Deswegen gehen wir auch sehr stark auf Klassiker. Das hat uns eigentlich in den letzten Jahren immer begleitet, weil wir vor allen Dingen auf Themen gegangen sind, die eine gewisse Popularität schon haben. Den Ansatz machen wir zum Teil, aber dann kommen wir doch viel später heraus. Aber du kannst jetzt nicht irgendwie auf ein Thema gehen, was jetzt gerade aufgebaut wird. Irgendwann kommt ein Kinofilm heraus und dann wird es ein Flop. Und dann hängen wir mit dem ganzen Rattenschwanz daran. Das tut natürlich richtig weh. Wir kriegen zwar schon viel, viel schneller inzwischen mit wenn etwas Neues entsteht, aber eben nicht anderthalb Jahre vorher. Wir wüssten im Zweifel dass ein Minion herauskommt, aber nicht anderthalb Jahre vorher, vielleicht ein halbes Jahr vorher oder ein Dreivierteljahr, und das reicht immer noch nicht aus.
Stefan Hamann: Ich habe jetzt mitgekriegt, dass ihr ja auch Richtung digitale Geschäftsmodelle geht, dass es zukünftig möglich sein wird, auch weitere Folgen digital bei euch zu erwerben, oder? Also man kauft einen Tonie sozusagen im Retail-Bereich, stationär oder wie auch immer und dann kann man theoretisch, wenn es jetzt ein Bibi-Blocksberg-Tonie ist, sich eine zweite Episode direkt bei euch kaufen und auf den Tonie laden, oder?
Patric Faßbender: Genau. Das hängt auch ein bisschen mit dem Thema zusammen, was wir hier gerade ein paar Sekunden vorher besprochen haben. Wir brauchen wahnsinnig lange, bis wir Tonies realisieren. Und auf der andern Seite gibt es aber auch Themen bei uns wie Benjamin, Bibi, Olchis und andere. Die haben 30, 40 Folgen bis zu fast 200 Folgen. Wir werden keine 170, 180 Benjamin Blümchens umsetzen, so oder so. Aber unsere Kunden wollen das hören, und die meisten schreiben uns und fordern uns auf, weitere Benjamins zu machen. Aber wir haben pro Jahr nur x Tonies die wir überhaupt realisieren können, dass wir das einfach nicht gewährleisten können. Wir haben von Anfang an so ein Konzept eigentlich auch im Kopf gehabt, dass wir den Kunden die Möglichkeit geben weitere Folgen, insbesondere bei sehr folgentiefen Serien bei uns online zu erwerben, um sie dann mit einem Tonie zu verknüpfen der bereits gekauft wurde. Das ist vor allem ein reines Kundenbedürfnis, was wir da glücklich machen.
Marcus Diekmann: Und der Fachhandel?
Patric Faßbender: Der Fachhandel partiziert an der Stelle nicht. Aber man benötigt immer eine Figur, um die Audiothek nutzen zu können. Also ohne Figur, ohne den Benjamin, den du einmal zumindest gekauft haben musst, wirst du keine weiteren Folgen kaufen können. Man kann natürlich so argumentieren: „Wir fangen jetzt an, digital auszuwerten und den Fachhandel außen vor zu lassen.“ Aber ich glaube, dass wir als Unternehmen mit dem Produkt, das wir gemacht haben, mehr als deutlich machen, dass das haptisches Erleben und auch die Beziehung zum Fachhandel wahnsinnig wichtig sind. Wie reagieren hier auf ein Kundenbedürfnis, die wahnsinnig viele Folgen hören wollen, je älter die Kinder. Fuchsbande ist wahrscheinlich ein schönes Beispiel. Da gibt es auch schon viele Folgen. Kinder kommen irgendwie mit fünf, sechs, sieben in ein Alter, wo sie permanent neue Folgen hören wollen. Das können wir mit unserem System so nicht abbilden. Durch die Audiothek lösen wir das ein Stück weit. In Zukunft werden wir auch Kreativ-Tonies freigeben. Wir können zum Beispiel auch Themen, die ganz, ganz schnell sehr, sehr groß geworden sind, viel schneller für unseren Kunden zur Verfügung stellen, weil wir eben nicht mehr die anderthalb Jahre brauchen.
Michael Atug: Den (unv.) verstehe ich jetzt. Wenn du erzählst, dass du dafür 70 Wochen brauchst, dann ist jetzt natürlich völlig klar, warum du das so macht. Und meines Erachtens nach auch der einzige sinnvolle Weg, die Bedürfnisse an der Stelle abzuholen.
Marcus Diekmann: Wir hatten darüber gesprochen und du hast ja gesagt, ist ja auch kein Geheimnis, du hast ja eben auch eingangs erzält, ihr habt Freunde mit hineingenommen. Und jetzt habt dann einen Investoren hineingeholt. Die ersten sind rausgegangen. Eigentlich habt ihr nur ein paar Prozent verkauft, ansonsten hat sich bei euch nichts verändert. Warum habt ihr nicht die Entscheidung getroffen: „Du, wir sahnen jetzt auch richtig dick ab, Kohle auf den Tisch, und dann machen wir so ein bisschen weiter.“ Sondern wie kam es dazu dass ihr gesagt habt: „Nein, wir geben nur ein paar Prozent ab und machen genauso weiter.“ Das ist schon ein klares, krasses Statement als Unternehmer in der heutigen Zeit.
Patric Faßbender: Zum Einen verstehen Marcus und ich das Ganze, was hier gerade passiert wirklich als Geschenk. Wir sind unfassbar dankbar, dass wir in der Situation sind so etwas erleben zu dürfen. Ich glaube, es ist eine Geschichte die nicht so häufig passiert, so ein tolles, emotionales Produkt so erfolgreich begleiten zu dürfen. Was würde ich denn sonst machen? Ist doch geil, so etwas machen zu dürfen. Wir haben eher nach Optionen gesucht: Wie können wir das Potenzial, was wir darin sehen wirklich nutzen? Internationalisierung ist so ein Thema. Wir haben am Anfang gedacht, dass wäre so ein Produkt für das deutsche Kinderzimmer, haben auf der ersten Messe 2016 in Nürnberg im Januar realisiert: „Wow! Egal, ob die Menschen aus Südkorea kommen, aus Chile oder aus Spanien, alle finden das Produkt geil.“ Da haben wir realisiert: „Vielleicht ist es doch ein Thema, was man international spielen kann“, das hätte aber in dem alten Gesellschafterkreis nicht funktioniert. Das war ein toller Gesellschafterkreis bis zu einem gewissen Punkt. Aber wenn es darum geht, wirklich Netzwerk zu nutzen, vielleicht auch einmal Kapital zu organisieren, um die größeren Schritte zu machen, dann wäre das der falsche Gesellschafterkreis gewesen. Deswegen haben wir gemeinsam mit denen entschieden: „Das machen wir.“ Marcus und ich wollen das Ding natürlich weiter vorantreiben und die Ideen, die wir haben noch verwirklichen.
Marcus Diekmann: Große Komplimente. Ich kann nur noch einmal zusammenfassend aus meiner Perspektive sagen: Ich habe in den letzten Jahren selten so eine Produkteinführung… Ich würde sagen, ich finde bett1 war auch so eine grandiose Geschichte, aber ansonsten: Das ist für mich echt der Killer-Commer, etwas ganz radikal neu gedacht, damit Zimmer erobert. Das habt ihr gemacht. Und das mit so einer Sympathie und mit so einem Unternehmergeist. Nicht einfach Start-up, Exit und tschüss, sondern mit so einem Unternehmergeist und mit so viel Liebe zum Detail. Ganz große Komplimente und alles Gute auch für euer neues Geschäftsmodell. Ich persönlich werde euch weiter beobachten und weiter hören. Von links und rechts, von Catalina und Antonino von ihren Tonieboxen. Oder, Stefan, ist grandios, oder?
Stefan Hamann: Ich kann mich eigentlich nur anschließen, genau. Ich finde das unternehmerisch wirklich eine absolute Topleistung, was ihr da hingelegt habt. Ich finde auch die Einstellung gut. Mir hat mal einer gesagt: „Ganz ehrlich, wenn du dann Anteile verkaufst oder viele Anteile verkaufst, was machst du dann mit dem Geld? Du beteiligst dich wieder an anderen Unternehmen?“ Also ein bisschen, finde ich, schwingt das ja immer mit. Und da habt ihr eine total gute Einstellung. Ich kann mich Marcus nur anschließen, ich wünsche euch ganz viel Erfolg weiterhin. Lasst uns gerne einmal sprechen, wenn ihr das neue digitale Geschäftsmodell eingeführt habt und wenn es dann neue Erfahrungswerte gibt.
Michael Atug: Ja gerne.
Patric Faßbender: Wow, vielen, vielen Dank.
Michael Atug: Ich kann mich auch nur anschließen. Genug der Lobhudelei, aber es ist ja wirklich so. Also wirklich, wirklich cool. Das ist schon cool. Also gerade jetzt, nach dem Gespräch, sehe ich das noch ganz anders, das Ding. Werde ich jetzt jeden Abend einmal streicheln, bevor ich ins Bett gehe selber. Ich hätte nur eine allerletzte Frage zum Schluss vielleicht, wenn die mir noch gestattet wird: Neue Geschäftsfelder? Jetzt hat doch gerade der Stefan so schön diesen Satz gesagt: „Dann kommt Geld, dann investiert man wieder.“ Ich habe letztens mit dem Stefan einmal gesprochen von Ankerkraut, und da war es dann im Prinzip genau dasselbe. Du hast doch sicher schon ein, zwei Pläne im Hinterkopf. Ich kenne dich doch, jetzt jedenfalls. Was kommt noch? Hat es etwas mit Tonie zu tun, also die Ideen, die ihr zumindest habt, oder etwas völlig anderes?
Patric Faßbender: Nein, es ist definitiv schon auch viel im Ökosystem Tonie verhaftet. Ein Thema, ist auch kein Geheimnis was uns umtreibt, ist auch zu schauen: Gibt es vielleicht auch einmal ältere Zielgruppen, die man mit einer neuen Marke und einem ähnlichen Ansatz in irgendeiner Form anstrebt? Das fänden wir auch total spannend.
Michael Atug: Das John-Wick-Hörbuch, da bin ich dabei.
Patric Faßbender: So privat merke ich das, ich bin ja auch schon 50. Ein bisschen älter, zwei Kinder und so. Cool ist auch zu sehen: Man hat vielleicht jetzt doch so ein paar mehr Hebel als früher, als man je dachte. Und es gibt so ein paar Themenfelder, die sind natürlich jetzt auch in aller Munde. Aber das ganze Thema Nachhaltigkeit in irgendeiner Form, in so einen Bereich hineinzugehen, dann vielleicht eher als Privatmensch, wenn man da Möglichkeiten hat. Das fände ich auch megaspannend. Ich glaube, wir haben, wenn man den Erfolg hat, was total toll ist, auch eine gewisse Verantwortung, damit etwas zu machen. Und das versuchen Marcus und ich auch immer so ein Stück weit jetzt auszuloten: Wo haben wir eventuell noch einmal einen Hebel, den wir nutzen können, den wir früher nicht hatten? Das hat gar nichts mit Tonies zu tun, sondern generell zu schauen: Wie können wir das ganze Ding, den ganzen Planeten hier ein bisschen besser machen, als er gerade unterwegs ist? Das fände ich noch spannend. Aber das ist eher so die private Seite.
Michael Atug: Dann gucke dir einmal meine Seite an: retourensohn.de, da kannst du einmal gucken. Darüber habe ich mir auch Gedanken gemacht.
Patric Faßbender: Sehr gut.
Marcus Diekmann: Oder fahrt einfach Fahrrad. Danke an dich, Patric, danke an Michael, danke an Stefan, und ich freue mich auf die nächste die Folge mit deinem Update. Schönen Tag allen noch und viel Erfolg.