Als Gast Martin Schwager
Kapitel | Thema | Zeitpunkt |
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Kpt. 1 | Martin Schwager, Corona und die Auswirkungen | 00:14 |
Kpt. 2 | Herausforderung der Mehrwertsteuerabsenkung | 02:33 |
Kpt. 3 | Lieferengpässe durch Corona | 03:22 |
Kpt. 4 | Die Offline-Konkurrenz in Corona-Zeiten | 08:28 |
Kpt. 5 | Neukunden-Gewinnung und -Bindung | 10:25 |
Kpt. 6 | Konkurrenz durch „Cool Blue“? | 12:50 |
Kpt. 7 | Der wichtigste USP von notebooksbillier.de | 15:37 |
Kpt. 8 | Gute Beratung als Kaufargument | 18:04 |
Kpt. 9 | Markenübergreifender Handel | 20:30 |
Kpt. 10 | Digitale Beratung als Servicekanal | 24:36 |
Kpt. 11 | Aktivität auf Marktplätzen | 27:22 |
Kpt. 12 | Retail Media-Ansätze | 29:55 |
Kpt. 13 | Vernetzung der Verkaufskanäle | 31:15 |
Kpt. 14 | Die nächsten Highlights | 32:57 |
Kpt. 15 | Mobile vs. Desktop | 34:58 |
Stefan Hamann: Moin, hallo und servus bei Dreimal digital! Heute mit Martin Schwager, COO von ‚Notebooksbilliger‘. Notebooksbilliger ist der fünftgrößte Online-Shop in Deutschland. Wir haben heute das Vergnügen mit dir, Martin. Hallo auch an Michael, und Markus an dieser Stelle. Martin, magst du dich einmal kurz vorstellen?
Martin Schwager: Ja, sehr gerne! Erst einmal herzlichen Dank für die Einladung. Martin Schwager, COO von Notebooksbilliger. Was heißt in diesem Fall COO? In unserem Fall heißt das, ich bin zuständig für IT, Marketing, HR und unsere Kollegen aus der Key-Account-Truppe, die nicht nur im Digitalen, sondern eben auch im Telefon- und Fax-Business nach wie vor noch tätig sind.
Stefan Hamann: Vielen Dank, dankeschön! Direkt einmal zur ersten Frage, Martin, und zwar: Notesbooksbilliger, einer der fünf größten Online-Shops in Deutschland, Corona hat euch mit Sicherheit trotzdem erwischt, wiewohl jeden anderen auch im März. Kannst du schon etwas sagen, wie sich Corona auf eure Geschäftsentwicklung ausgewirkt hat?
Martin Schwager: Ich glaube, nach vorne können wir es tatsächlich noch nicht sagen. Also im Grunde glaube ich bei uns erst einmal einen ganz gegenteiligen Effekt zu den Ladengeschäften. Bei uns ist es ja so, die Ladengeschäfte hat es natürlich tatsächlich so getroffen wie alle anderen die physischen Stores haben, auch. Die mussten wir natürlich von heute auf morgen zumachen, die Waren zurück in die Logistik schicken. Das war aber auch ganz gut so, weil die Waren konnten wir dann in der Folgezeit auch brauchen für das digitale Geschäft, was dann sehr stark zugenommen hat. Dummerweise haben wir natürlich sehr viele Waren, die auch aus den fernöstlichen Ländern kommen, und dort war Corona ein bisschen früher. Insofern wirkt es da für die Supply chain natürlich noch sehr stark nach. Und im Grunde, glaube ich, kämpfen wir ansonsten natürlich mit denselben Auswirkungen, die jeder andere gerade auch hat: Homeoffice überall, die Arbeitsorganisation musste umgestellt werden, viele Dinge auf der IT-Seite waren zu ändern. Und dann haben wir uns besonders natürlich auch darüber gefreut, dass es noch einen kleinen Konjunkturanreiz gab mit einer relativ kleinen Absenkung der Mehrwertsteuer, die uns erst einmal sehr viel Arbeit beschert hat, die wir in der Phase eigentlich nicht unbedingt gebraucht hätten. Insofern rennen wir jetzt dieses Jahr unserem Projekt natürlich hinterher und insbesondere auch den Waren, die wir eigentlich sehr dringend brauchen für das Weihnachtsgeschäft.
Marcus Diekmann: Habt ihr denn die drei Prozent Mehrwertsteuer weitergegeben oder nicht?
Martin Schwager: Wir haben die komplett weitergegeben. 2,52 absolut natürlich, heruntergerechnet. Wir haben die komplett weitergegeben. Also kann man auch sehr schön sehen bei uns. Wenn man nicht bei idealo, Geizhals und Co. tatsächlich die Produkte sich anschaut in den Bereichen in denen wir da sind, wo wir eine Rolle spielen, was an dem Tag passiert ist, konnte man das sehr gut sehen. Ich muss auch sagen, ein großes Kompliment, zumindest bei uns an die IT-Kollegen und auch an die Einkaufskollegen, die davor natürlich inklusive der Fibu.- und der Buchhaltungskollegen, sehr viel zu tun hatten, um das auch möglich zu machen, weil wir wirklich punktgenau an dem Tag umstellen konnten und Gott sei Dank auch keine Probleme hatten, was uns natürlich nach dem ERP-Wechsel letzten Jahres sehr gefreut hat, dass das einmal ein bisschen ruhiger abgelaufen ist
Michael Atug: Also, jetzt hast du ja gerade gesagt, dass du das vorneheraus noch gar nicht so sagen kannst. Aber wir haben natürlich alle mitbekommen, entweder über die Presse oder bei mir war es so: Ich war im Büro eines Payment-Dienstleisters und spreche da mit dem Chef, und dann quatschen wir so herum, Corona und so. Gerade fing alles an oder war schon in der entscheidenden Phase. Da sagt er: „Man Mist, wir brauchen 40 Laptops. Notebooks, weil Homeoffice und so. Und ich kriege nichts ran.“ Also, das war ja der absolute Wahnsinn. Und jetzt hast du ja gerade gesagt, ihr habt die Probleme mit der Beschaffung und so weiter. Wie ist es denn jetzt? Ist es langsam besser? Ich meine, ist ja klar: auf einmal brauchen alle Notebooks. Gut, jeder hatte vielleicht eins. Aber Webcams war ja auch komplett Ende. Für ein gebrauchtes Ding, was du normalerweise in den Müll geschmissen hättest, hast du irgendwie 100 Euro bekommen. Wie seid ihr damit umgegangen? Wie war das für euch?
Martin Schwager: Im Grunde ist es tatsächlich so. Die ersten sechs Wochen waren eher wie so ein typisches Weihnachtsgeschäft in Anführungszeichen, was uns da getroffen hat. Das Problem natürlich als Händler ist, die Ware tatsächlich auch da zu haben. Neben den Themen, die darum herum noch stattfinden. Wir waren ja nicht die Einzigen, die Probleme hatten, sondern insgesamt ging E-Commerce nach oben. Man musste überhaupt die Kapazitäten haben, sowohl in der Zulieferung von Ware als auch dann in Richtung Endkunde. Und die Volumina derjenigen, die dann angerufen haben, weil irgendeine Ware dann doch ein bisschen länger gebraucht hat, hat natürlich schon signifikant zugenommen auch in dem Bereich. Für uns war es tatsächlich ein lachendes und ein weinendes Auge, weil wir, wie gesagt, eben nicht nur E-Commercer sind, sondern auch stationäre Ladengeschäfte haben. Wir haben auf der einen Seite X Prozent des Umsatzes von heute auf morgen verloren, auf der anderen Seite natürlich erst einmal dazugewonnen, aber das ist natürlich ein bisschen short-sighted . Im Grunde muss man sich auch vorstellen, da sind viele Investitionen jetzt auch erst einmal vorgezogen worden auf diesen Zeitpunkt. Und danach rechnen wir natürlich damit, dass eigentlich jetzt bestimmte Nachfolgeinvestitionen, die so typischerweise hereingekommen wären, gar nicht stattfinden, beziehungsweise wir natürlich auch einen großen Teil des Geschäfts im Weihnachtsbereich eigentlich machen wie viele Händler und wir natürlich jetzt aktuell davon ausgehen müssen, dass wir in der Breite die Ware gar nicht da haben durch unterschiedliche Gründe sicherlich. Das ist jetzt nicht nur Corona, aber wir und unsere Hersteller schätzen wahrscheinlich den Markt ähnlich ein, dass der natürlich auf dem Niveau nicht bleiben wird und das eher so ein Verteilungskampf Deutschland gegen andere Länder ist, wenn man sich das ja manchmal auch anschaut. Also wo wandert die Ware hin? In welchen Kanal wandert die Ware ist jetzt nicht die Frage, sondern tatsächlich teilweise auch: In welches Land geht gerade wieviel, in Anführungszeichen? Insofern war das für uns tatsächlich ein lachendes und ein weinendes Auge. An vielen Stellen hätten wir sehr viel mehr wahrscheinlich verkaufen können, hätten auch andere Dinge tun können. Aber auch wenn man uns vielleicht nicht als systemrelevant damals eingeschätzt hat, haben wir ja sehr früh damit angefangen, wo wir gesehen haben, wie viel Ware eigentlich abfließt und wie wenig hinten wieder nachkommt. Dass wir gesagt haben: „Nein, wir wollen auch bewusst ein bisschen etwas zurückhalten und bestimmte größere Bestellungen, die gerade auf der B2B-Seite dann hereinkamen, erst einmal bremsen“.
Stefan Hamann: Habt ihr das denn auch sortimentsübergreifend beobachtet? Klar, wir hatten ja gerade schon gesagt, Notebooks – das war ja vor allem in der Anfangsphase, wo viele Unternehmen auf Homeffice umstellen mussten ein Riesenthema.
Martin Schwager: Es gibt glaube ich auch sehr interessante Trends im Elektronikbereich. In dem Bereich sind wir jetzt nicht mehr mit dabei. Aber was wir auch gehört haben beziehungsweise was man in den Marktzahlen sehen kann, ist, dass beispielsweise auch weiße Ware, Waschmaschinen und Co., extrem zugenommen hat in der Zeit. Ich frage mich, ob jeder jetzt gerade eine zweite braucht, weil mehr gewaschen wird oder ob die einfach alle nicht durchgehalten haben und aufgegeben haben. Aber auf jeden Fall, da sieht man signifikantes Wachstum. Ich glaube grundsätzlich: Klar, die Verschiebung von Brick and Mortar zu E-Commerce war natürlich ein enormer Treiber. Das zweite, und da muss ich sagen, dass es auch immer noch so, also Webcams sind nach wie vor ausverkauft. Ich habe mich auch mit meinem Supplier von uns aus Israel unterhalten. Die hatten glaube ich von März bis Juni keine einzige Webcam mehr, die es im ganzen Land gab. Insofern ist das ein weltweiter Trend, den man da sieht, weil man eben semiprofessionelles Equipment eher zu Hause haben wollte. Ich hatte vorhin ja auch in unserer Runde ein Mikrofon bewundert. Das sind auch so Themen, die nach wie vor so sind. Also Dinge, die jetzt nach dem klassischen Laptop, dem PC, kommen, sind teilweise nach wie vor eher short, in Anführungszeichen.
Marcus Diekmann: Ich habe einmal eine Frage. Wir kennen ja die Fahrradbranche und ich bin noch in der Gartenbranche, bei gartenmoebel.de, bei beiden war natürlich auch absolute Boom-Zeit. Wir haben bei gartenmoebel noch Zahlen gerade herausgegeben: letztes Jahr 21 Millionen Umsatz, dieses 42 Millionen Euro, also verdoppelt. Vielzahl war natürlich gute Vorarbeit von den Unternehmern im Vorfeld. Aber verdoppeln, müssen wir uns jetzt auch nicht drüber unterhalten, da ist natürlich auch ein Corona-Effekt drin. Aber wenn man jetzt einmal sieht, bei euch, diese Situation hattest du ja noch nie. Ihr konntet das jetzt ja einmal spüren: Was passiert eigentlich, wenn unser gesamter traditioneller Wettbewerb, der zum großen Teil Amazon herausgenommen und alles, ja Offliner sind, plötzlich nicht mehr verkaufen darf? Wirklich ausgeknockt mit Roter Karte. Was hat man denn, jetzt nicht mit den Verkäufern, das habe ich verstanden, aber mit den Zugriffsquoten gemacht? 19.03 hatten die Läden zu, sind die ab dem 20. bei euch Sturm gelaufen oder wie war das dann? Nur von der Frequenz, nicht vom Umsatz.
Martin Schwager: Nein, also ich glaube so richtig absolut verrückt war es nicht. Es war tatsächlich eher vergleichbar mit einem Weihnachtsgeschäft. Es war jetzt nicht so, ähnlich wie bei größeren Verkaufsaktionen, kann man ja bei uns in der Vergangenheit lesen, dass es da tatsächlich schon einmal ein bisschen knapp wird, dass da einmal jemand auf einer Warteseite landet oder sonstiges. Das hatten wir tatsächlich nicht. Aber im Grunde war es jeden Tag tatsächlich eher kontinuierlich wie beim Weihnachtsgeschäft. Ich glaube auch, dass sich das sehr gut verteilt hat immer noch über eine längere Phase. Es gab eben nicht diesen einen Tag, wo jeder gesagt hat: „Das bleibt jetzt lange so, und jetzt muss ich mich darauf einstellen.“ Sondern, was wir schon festgestellt haben, ist dass ganz viele erst einmal gedacht haben: „Das wird sich schon sehr schnell wieder geben.“ Wohingegen es eben andere gab, die gesagt haben: „Oh, jetzt muss ich eben schnell reagieren“, und das natürlich auch nicht jeder von Tag eins an gesagt hat: „So, jeder bleibt jetzt zuhause und im Homeoffice.“ Sondern dass das eigentlich peu à peu sich über die Laufzeit entwickelt hat. Insofern erklärt das vielleicht auch, dass es eben nicht den einen Tag gab, wo dann alles online zusammenbricht, sondern das hat sich eigentlich tatsächlich über sechs bis acht Wochen ganz gut verteilt, aber jeden Tag eigentlich auf Marketing-Aktionsniveau.
Stefan Hamann: Ihr habt ja dann wahrscheinlich aber jetzt in den letzten Monaten viele, viele Neukunden gewinnen können, denke ich. Was glaubst du denn: Wie aktiv könnt ihr diese Neukunden auch dann – Customer Lifeline ist das Stichwort – animieren, mehrfach zu kaufen? Ist das typisch für einen Notebooksbilliger-Kunden, dass der mehrfach kauft, oder ist das eher nicht der Fall?
Martin Schwager: Ich glaube, bei uns ist das natürlich im Kundenportfolio so wie in jedem anderen. Der einzige Unterschied, wenn wir uns jetzt mit Otto oder Mediamarkt vergleichen, ist natürlich dass unser Sortiment deutlich spitzer ist als bei den Kollegen. Insofern sind natürlich unsere Kundenzyklen andere, weil wir natürlich jetzt nicht einfach von der Waschmaschine auf einen Toaster zurück auf Notebooks springen können. Im Grunde, glaube ich, gibt es bei uns eine sehr treue Käuferschaft, also einen sehr, sehr harten Kern von der treuen Käuferschaft, die wahrscheinlich ähnlich wie in anderen Bereichen auch sehr häufig in den hochwertigen Bereichen durchwechselt und einfach das neueste Gerät haben will mit der meisten Power. Und es gibt natürlich die, die dann eher so im Dreijahreszyklus die Dinge nachkaufen. Unsere Hoffnung ist natürlich schon, dass uns diese Neukunden, die wir gesehen haben, auch bleiben. Ich hoffe auch, dass wir einen Shop gemacht haben, wo jetzt nicht jeder sagt: „Der war schlecht.“ Zumindest unsere Kundenbewertungen haben sich, jetzt mit Ausnahme der typischen Logistikthemen, die jeden getroffen hatten, weil natürlich bestimmte Zustellungen wegen Corona-Abschottungen teilweise nicht gemacht werden konnten und so weiter, in der großen Masse eigentlich ganz gut die Waage gehalten, sodass wir eigentlich hoffnungsfroh nach vorne schauen, wenn wir denn jetzt noch die dementsprechenden Verfügbarkeiten noch halten können für dieses Jahr. Also, wir sind nicht alleine in dem Bereich. Wir müssen uns da jeden Tag neu beweisen. Und ich glaube, ein Kauf alleine, ehrlicherweise, der reicht, um mal so einen Fuß in die Tür zu kriegen. Aber der reicht natürlich nicht, um ihn nachhaltig als Kunden zu erhalten. Da, glaube ich, muss man sich schon drei- oder viermal beweisen. Und das wird noch eine ganze Zeit lang dauern mit dem Kundenlebenszyklus, den wir üblicherweise haben.
Marcus Diekmann: Ich finde das ja ganz lustig. Ich habe ja ein paar Jahre in Holland und für holländische Firmen gearbeitet und das Lustige ist: Die Holländer, wenn die so auf den E-Commerce gucken, dann gucken die da ganz anders drauf. Amazon ist gerade erst in Holland zum Beispiel. Das heißt, manche Probleme, die wir hatten, hatten die gar nicht. Ich hatte immer von euch gesprochen, dass ihr einer meiner absoluten E-Commerce-Helden seid und die hatten immer von Coolblue gesprochen. Jeder in Holland hat immer Coolblue geliebt und Coolblue war einmal das gesegnete Land, aber die hatten auch gar keinen Wettbewerber in Holland. Ich meine, sorry, wenn du keinen Wettbewerber hast, dann hast du es gut. Jetzt kommen sie nach Deutschland. Wie habt ihr das aufgefasst? Seht ihr sie als ernsthaften Wettbewerber? Wie guckt ihr auf Coolblue und die neue Situation?
Martin Schwager: Von dem Start müssen wir sie natürlich erst einmal relativ wenig fürchten, weil sie sich auf ein bestimmtes Segment eingeschossen haben, von dem wir uns aktiv verabschiedet haben. Wir glauben, zumindest so, wie es jetzt in der breiten Masse in Deutschland gemacht wird, kann man es entweder nicht profitabel betreiben oder nicht kundenoptimal betreiben. Um das einmal so auszudrücken. Das sind die Themen rund um die Großgeräte, mit denen sie ja jetzt erst einmal in den Ballungszentren gestartet sind. Grundsätzlich anderes Modell, wie es jetzt Coolblue macht. Das fanden wir eigentlich immer spannend. Also, ist jetzt nicht so, dass wir uns nicht kennen und uns in der Vergangenheit auch nicht ausgetauscht haben. Weil die Kollegen natürlich auch die ganze Lieferkette, wo wir immer die größten Probleme gesehen haben, selbst anbieten. Das machen sie ja auch mit den gebrandeten Lkw. Das muss man sich natürlich dann trauen von der Investition, die man da stemmen muss. Das wollten wir zumindest für ganz Deutschland nicht leisten. Und ich glaube auch, dass man es wahrscheinlich so nicht profitabel hinbekommt. Zumindest hat es noch keiner gezeigt, dass es klappt.
Marcus Diekmann: Da muss man eins ergänzen. Das muss man aber auch aus holländischer Sicht verstehen, weil du brauchst nur zwei Spots in Holland und dann kannst du das ganze Land beliefern. Darum verstehen die die ganze Problematik gar nicht, wenn wir über Lieferketten reden. In Holland hat jeder große Retailer einen eigenen Lieferservice.
Stefan Hamann: Genau, das kannst du alleine von der ganzen Geographie überhaupt nicht vergleichen.
Martin Schwager: Wobei, jetzt machen sie es ja ähnlich in Deutschland, indem sie sich auf eine Metropolregion einschießen. Zumindest diese Entscheidung kann ich absolut nachvollziehen. Die ist nah an dem, was sie derzeit machen. Wir beäugen natürlich den Wettbewerb durchaus immer und würden da auch dementsprechend reagieren, wenn sich das Bild ändert. Aber im Grunde, aktuell, durch den jetzigen Fokus, den sie haben, würde ich sagen, sind die eigentlich aus unserem Wettbewerbsfokus eher raus. Und ich würde sagen, die Hauptwettbewerber, an denen wir uns messen lassen müssen nach wie vor, sind diejenigen, die jetzt ein bisschen stärker auch aufgewacht sind. Das ist das, was wir jetzt nach Corona sehen. Das sind die alten Player wie Otto. Wobei die schon mittlerweile sehr modern sind, muss man sagen. Und Mediamarkt, Saturn. Das sind die zwei, die uns wahrscheinlich wehtun würden, weil sie natürlich eine ganz andere Spielmasse haben, Dinge querzufinanzieren.
Stefan Hamann: Ja. Martin, mal aus der Kundenperspektive gedacht, was würdest du denn sagen: Was ist der wichtigste USP von Notebooksbilliger gegenüber dem Kunden? Oder sagt ihr im Prinzip: „Ich scheiß auf USP, sozusagen. Wir haben ein geiles Sortiment, wir haben vernünftige Preise und schnelle Verfügbarkeit.“ Das kann ja auch ein USP sein.
Martin Schwager: Ich glaube, das ist die Basis, auf der man ja immer aufbauen muss. Im Grunde würde ich schon sagen, dass wir in der breiten Masse schon sehr darauf achten, dass wir auch Produkte sourcen, an die wir selbst glauben, wo man sagt: „Ja, die machen absolut Sinn und die haben auch tatsächlich einen fairen Preispunkt.“ Im Grunde ist es aber nach vorne heraus immer auch die Frage: Hat man in der breiten Masse auch genug Verfügbarkeit auf den Produkten da? Weil man natürlich selten in unserem Segment über einen inspirational buy kauft, wo ich erst einmal hingehe und sage: „Ich guck mir das mal an. Ach, da ist ein Gerät, das kostet 1.000 Euro. Das finde ich ja super. Das kaufe ich jetzt einfach mal.“ Dafür sind die meisten Geräte natürlich in Preisklassen, wo das so nicht stattfindet. Sondern man ist entweder gezielt auf der Suche, und dann kann man es haben oder kann man es nicht haben, oder man kann es eben schnell verfügbar haben oder eben nicht schnell verfügbar haben. Und das sind tatsächlich eher die Themen. Was wir jetzt eher in der Corona-Zeit gesehen haben oder auch aktuell sehen, ist, dass die Beratung auch zugenommen hat. Wir verstehen uns ja eher teilweise auch, obwohl wir E-Commercer sind, mit dem Sortiment, was wir haben, auch als der Fachhändler des Internets. Und wir lassen natürlich dann auch Telefonberatung zu, die vielleicht woanders so eher nicht stattfinden kann, die man eben bei Amazon nicht findet, und versuchen da tatsächlich auch, die Leute so geschult zu halten, dass da auch etwas Vernünftiges bei herauskommt, und versuchen halt, diese Fachhandelswelt so ein bisschen in den E-Commerce zu transportieren. Ich glaube, das wird in unserem Fall tatsächlich in vielen Stellen auch goutiert, wo man das eben macht. Dito die Abholstellen, die wir etabliert haben in unseren Stores, dass wir da eben nicht differenzieren zwischen den Preisen. Und dass man da im Zweifel das Ganze noch einmal anfassen kann, das nimmt dem einen oder anderen natürlich bei solchen Produkten mit höheren Preisen durchaus auch noch einmal so ein bisschen den Hemmschuh, nicht zu kaufen. Man sieht einen Laden, den gibt es auch wirklich. Das ist ja durchaus in Deutschland nach wie vor, man mag es nicht glauben nach der langen Zeit, die es E-Commerce schon gibt, immer noch ein Thema: Vertrauen, Ware gegen Geld, ist in Deutschland ein Thema.
Michael Atug: Sehr interessant, was du gerade gesagt hast. Dieser Anspruch an den Kunden und auch mit der Beratung und so weiter. Also ich habe bei euch ein Notebook bestellt damals. Die Beratung war, ehrlich gesagt, mehr als klasse. Das war schon echt super. Der Typ hatte Ahnung, der war ruhig, der war abgeklärt, hat mir alles zusammengestellt, gemacht und getan. Ich hab einmal ein bisschen geguckt. Ihr habt etliche Auszeichnungen bekommen, unter anderem „Vorbildlich erfüllte Kundenwünsche 2019“. Oder zum Beispiel so etwas wie „Deutschlands beste Kundenhotline“. Wie schaffst du das, dieses Niveau so hoch zu halten? Ich glaube auch, dass es in dem Bereich wirklich ausschlaggebend ist und wichtig. Wer anruft und sich so gut beraten lässt, der kauft wahrscheinlich auch. Die Frage ist, ob du dann für 10 Euro oder was weiß ich, so viel Marge ist da ja auch dann nicht mehr drin, woanders kaufst. Also ich glaube schon, dass ihr damit die Kunden wirklich auf eure Seite zieht, dass das der richtige Ansatz ist. Aber es ist halt auch teuer. Wie macht ihr das? Wie schult ihr die? Wie ist das so? Ist das euer Kern? Wollt ihr das unbedingt so haben? Oder war euch das immer klar?
Martin Schwager: Es ist tatsächlich schon ein Kern. Also das, was ich vorhin gesagt hatte mit „Wir verstehen uns ein bisschen als der Fachhändler“, ist natürlich schon ein Kern. Ich glaube, es lässt sich am Ende des Tages natürlich auch nicht beliebig skalieren. In der Vergangenheit gab es natürlich sehr intensive Zusammenarbeiten auch mit den Herstellern, die ja teilweise dann auch ins Training investieren. Und das, was die Fachhändler machen, um ihre Sales-Kollegen zu schulen, nutzen wir natürlich, um die Sales-affinen Servicemitarbeiter ähnlich zu schulen. Das heißt aber auch nicht immer, dass das klappt. Es gibt immer positive und negative Stimmen zu jedem Kauf. Und wie gesagt, ich hatte ja vorhin auch gesagt: Mit ERP Wechsel gab es da sicherlich auch letztes Jahr insbesondere ein paar negative Stimmen, die da insbesondere in meinem Bereich auf meine Kappe gehen. Aber im Grunde muss es natürlich der Anspruch sein, auch etwas zu verkaufen, woran man glaubt, und auch im Zweifel einmal zu sagen: „Für diesen Anwendungsfall reicht eben Produkt A, B oder C.“ Und da eben auch eine offene Meinung zu haben. Und das versuchen wir auch zu tun. Wie gut das klappt, das müssen dann am Ende unsere Kunden bewerten.
Michael Atug: Ja, aber scheinbar sehr gut. Ich meine, die Auszeichnungen sind ja nun mal da. Das klappt ganz gut bis jetzt.
Marcus Diekmann: Ich habe mich letztens mit mehreren markenübergreifenden Händlern unterhalten. ROSE Bikes, wir haben zwar unsere eigene Fahrradmarke, aber wir verkaufen auch 45.000 Artikel, die du theoretisch auch an jeder Ecke kaufen kannst. Ich hatte mich mit Mediamarkt darüber unterhalten, mit BabyOne, und alle rätseln so: Wie geht es eigentlich mit dem markenübergreifenden Handel weiter, wenn der immer vergleichbarer ist, der Preiskampf immer härter? Ich meine, ich finde das schon ganz cool. Ich habe letztens bei euch noch so einen Screenshot gemacht, wie ihr zum Beispiel plus zwölf Monate Geräteschutz noch extra verkauft. Also wie ihr quasi aus zusätzlichen Einnahmequellen auch Geld verdient. Wie sehr ihr das mit dem markenübergreifenden Handel und Zusatzgeschäfte über andere Themen möglich zu machen?
Martin Schwager: Du sprichst das Thema an, dass natürlich jede Marke im Grunde auch versucht, den E-Commerce zu knacken und Direktvertrieb zu machen. Ich würde da nicht ganz so schwarz sehen. Einfach deswegen, weil wir feststellen, dass man häufig ja auch dahin geht, wo man im Regal mehrere Angebote auch einmal schnell vergleichen kann. Und das fällt einem natürlich in einem Monomarken-Shop immer beliebig schwer teilweise, da auch den Vergleich hinzubekommen. Es ist auch immer die Frage, wer gerade bestimmte Dinge tun kann. Insofern würde ich per se sagen: Es gibt schon immer noch eine Daseinsberechtigung für denjenigen, der tatsächlich auch sagt, was stellt man sich ins Regal, und was stellt man sich eben nicht ins Regal. In unserem Fall, ähnlich wie bei euch wahrscheinlich, bei euren eigenen Rädern, ist es ja auch so, dass wir gemeinsam mit den Herstellern… Man bekommt ja nicht immer dieselbe Ware wie auch die anderen Händler. Die unterscheiden sich dann zwar marginal, aber wir nehmen ja auch Einfluss auf die Konfiguration. Wenn wir eben glauben: „Heutzutage braucht man aber mindestens soundsoviel Speicher, wenn man diese Anwendung oder diesen PC hat“, dann kaufen wir das eben so ein oder lassen lassen das Produkt eben anpassen. Und ich glaube, das wird teilweise durchaus goutiert. Es sind auch Produkte, die im Zweifel der Hersteller, weil er selbst nicht daran glaubt, so nicht im Portfolio hat. Am Schluss ist eher das Verständnis über den Kunden in der breiten Masse das, was einem da auch weiterhilft. Die Zusatzdienste, in Anführungszeichen, sind ja nicht teilweise nur so, dass man sie braucht, sondern sie werden natürlich auch nachgefragt. Oder sie sind auch so, dass, wie jetzt in unserem Fall, die Kombination aus einem Rechner und Software oder vielleicht Versicherung, eher noch nicht ganz so naheliegen, oder auch (unv.). Aber es gibt durchaus Kombinationen, die einfach absolut Sinn machen, weil jemand, der A sagt, meistens auch sagt: „Okay, ich brauche B und C.“ Und das ist so ein bisschen das, was man vielleicht auch bei den Brains teilweise noch vermissen wird. Und diese Klientel gibt es eben auch, die sagen: „Ja, ich kaufe jetzt A, also nehme ich B und C eben auch mit dazu.“ Ist das jetzt wichtiger als das Kerngeschäft? Nein, in unserem Fall sicherlich nicht. Da schlägt tatsächlich das Retail-Herz immer noch am höchsten. Aber es ist natürlich durchaus so, insbesondere in dem Softwarebereich: Keiner möchte mehr Boxen verkaufen und verschicken. Das ist sowohl aus Nachhaltigkeitsgründen als auch aus sonstigen Gründen, die eher aus der Herstellung kommen, natürlich irgendwann nicht mehr nicht mehr zeitgemäß. Insofern wird man da auch einen Shift im Markt sehen. Ich glaube, die Schwierigkeit nach vorne ist tatsächlich die, die gerade bei Stefan schon gefallen ist: Wie kann man den Kunden nachhaltig daran binden? Und die Schwierigkeit bei uns wird sicherlich sein über die nächsten Jahre: Wie können wir auch unser App-Portfolio so aufstellen, dass es einfach Spaß macht im Zweifel nicht jeden Tag, aber vielleicht jede Woche da einmal hineinzuschauen? Darauf haben wir jetzt auch keine definitive Antwort. Aber da haben wir natürlich vieles, woran wir jetzt denken, wo wir aufbauen wollen und wo wir hoffen, dass uns das auch in der Zukunft die Differenzierung gibt, dass man eben sagt: „Ja, ich kann bei Dell, HP, Lenovo direkt kaufen. Aber es gibt eben auch einen Mehrwert, wenn ich bei jemand anders nochmal reinschaue und da kaufe.“ Das ist ähnlich, wie man Apple hat und eben auch eine Gravis.
Stefan Hamann: Wir waren ja gerade schon bei dem Beratungsthema, wo gesagt wurde: „Da wird viel auch telefonisch beraten.“ Habt ihr auch schon mit digitalen Beratungen experimentiert?
Martin Schwager: Wir machen dasselbe auch digital, in Anführungszeichen, beispielsweise im Chat. Also wir experimentieren da sehr viel, merken aber auch, dass, je nachdem, welchen Kanal wir bedienen, natürlich auch der Anspruch ein anderer ist. Von automatisierter Beratung über Kaufberater, die es bei uns schon extrem lange gibt, bis hin zu WhatsApp-Chat, glaube ich, haben wir tatsächlich extrem viel schon ausprobiert, um das letzte einmal zu nennen. Da ist natürlich die Anspruchshaltung eines Kunden, wenn er nachts um ein Uhr uns eine Nachricht schreibt, dass er gefälligst in fünf Minuten eine Antwort bekommt, was in Deutschland, wenn das am Sonntag passiert, vielleicht einfach auch rechtlich gar nicht möglich ist. Insofern haben wir da viel ausprobiert, manchmal auch tatsächlich wieder zurückgebaut. Aber der Chat beispielsweise, den wir direkt anbieten auf der Website, wenn man eine Frage zum Produkt hat, den auch zu nutzen. Das ist bei uns auch kein Chatbot, sondern wir haben tatsächlich mit Personen hinterlegt und betreiben den wie einen ganz normalen Service-Kanal. Scheinbar kommen die fast noch besser als die Telefonberatung. Wahrscheinlich auch deswegen, weil es einfach ein unmittelbareres Feedback ist. Ich würde auch sagen, wenn man da die Service-Scores vergleicht, die sind tatsächlich in dem Kanal immer noch ein Stück besser als die, die man im Telefon bekommt. Und ich glaube, dass ist und wird ein immer relevanterer Kanal.
Stefan Hamann: Könnt ihr denn messen, bei welchem Produktsortiment diese Beratungsquote am höchsten ist und wo tatsächlich auch dann die Conversion am meisten davon profitiert?
Martin Schwager: Theoretisch kann man das messen, aber bei uns natürlich ein bisschen witzlos. Weil, wenn ich es jetzt nicht statistisch auswerten würde, mit: Wo kriegen wir auch wirklich die meisten Besucher her?, natürlich immer Notebooks dabei herauskommen. Weil das der Bereich ist, der am größten ist. Und wenn ich es auf dem Bereich mache, dann würde natürlich als Kategorie immer das herauskommen, weil da natürlich so oder so immer die meisten Produkte verkauft werden. Wenn man das herunterbricht, ist das sicherlich nicht mehr unbedingt so. Da gibt es sicherlich eher im Zubehörbereich viele Fragen, weil da natürlich auch Kompatibilität eine Rolle spielt: „Kann ich X und Y?“ Kann man dann auch ganz gut bei uns im Forum, ist ja auch so ein digitaler Kanal, manchmal sehen, wo jemand sagt: „Ich hab dieses Kabel zuhause für diesen Monitor. Kann ich das an dem Notebook anschließen oder nicht? Weil auf dem Bild kann ich irgendwas erkennen, aber ich bin mir nicht sicher, und unten drin steht xy. Aber ist das wirklich kompatibel? Ja oder nein?“ Ist natürlich schön, wenn man die Frage beantworten kann. Am Ende muss man sich dann auch messen lassen, wenn es einmal nicht klappt. Wenn man sagt: „Ja, das passt“, und es passt dann halt nicht, dann kommt das Ding halt zurück.
Michael Atug: Jetzt greife ich einmal hier ein. Da ist ja gerade einmal eine Zahl genannt worden, wo es bei mir schon direkt anfängt zu jucken: Fünftgrößter Online-Shop, das ist schon eine krasse Zahl. Was macht ihr denn mit Marktplätzen? Seid ihr auf Marktplätzen aktiv? Das ist natürlich sehr spannend. Ich meine, klar, bei Amazon Technik anzubieten: Die Marge ist wahrscheinlich ein Problem. Aber wie steht ihr dazu? Was macht ihr aktuell?
Martin Schwager: Grundsätzlich bieten wir auf Marktplätzen an. Nicht immer alle Produkte und nicht unbedingt immer in demselben Preisbereich. Da gibt es ein bisschen Differenzierung im Portfolio, da gibt es ein bisschen Differenzierung in den Dingen, die wir drum herum machen. Aber im Grunde sind wir auf eBay, wie alle. Und wir sind, wenn man das als Einzelmarktplatz so noch nennen kann, auf idealo. Ansonsten, wie gesagt, Amazon sind wir noch nicht. Das ist aber durchaus eine Diskussion, die wir auch ganz, ganz offen führen. Bis dato, wie gesagt, rein margenseitig ist das schwierig, muss man auch sagen. Jetzt gibt es bei uns, ähnlich wie bei ROSE Bike, leider nicht in dem Ausmaß, natürlich auch durchaus eigene Marken, wo man auch überlegen kann, ob man nicht in unserem Kernbereich, aber vielleicht in anderen Bereichen durchaus etwas daraus machen kann. Das zeigen ja andere ganz eindrucksvoll, dass das funktioniert, wenn man einmal die ehemaligen, ich glaube, mittlerweile heißen sie anders, (unv.) aus Berlin nennen kann. Insofern, ganz aufgegeben haben wir da noch nicht. Es ist schwierig. Andere zeigen, dass es funktioniert. Insofern stellen wir uns gerade dieser Herausforderung und arbeiten auch ein bisschen nach, weil wir es in der Vergangenheit tatsächlich eher auf die eigene Plattform versucht haben, zu heben.
Michael Atug: Ja, klar, weil letztendlich will man ja da sein, wo der Kunde ist, und bei Amazon sind die Kunden halt. Was spricht dagegen? Du hast ja auch gerade gesagt, dass man eben dann eine andere Preisstruktur da fährt und trotzdem anbietet, denn es gibt Kunden, die wollen in dieser Welt bleiben und wollen gar nicht woandershin kommen. Die wollen einfach nicht in irgendeinem Shop kaufen oder so, die kennen ihr Amazon-Umfeld. Da wissen die, wo die drücken. Da wissen die alles. Da zahlen die lieber ein paar Euro mehr und kaufen dann da. Naja, gut, okay. Da seid ihr also schon am Überlegen. Das ist schon einmal interessant. Das finde ich immer ganz gut, wenn man da einen Schritt weiterdenkt. Wenn man heute was nicht macht, heißt das ja nicht, dass man morgen nicht damit anfängt.
Martin Schwager: Ja, ist richtig. Wir experimentieren da. Ich glaube, das ist ein bisschen E-Commerce-typisch. Wir experimentieren viel, und in dem Bereich definitiv. Ich glaube, da ist für uns noch mehr zu holen wahrscheinlich, als wir da zu verlieren haben, wenn man es richtig macht. Das richtige Patentrezept haben wir da noch nicht gefunden, aber durchaus, wir stellen uns da der Herausforderung.
Marcus Diekmann: Ich habe bei euch auf der Seite entdeckt, ihr habt ja auch zum Beispiel ein Banner Diners Club, den ihr bewerbt. Da habe ich gedacht: „Sind das schon die ersten Retail-Media-Ansätze, die ihr da fahrt? (Unv.)
Martin Schwager: Ich glaube, Retail-Media – ist ja nett, dass es jetzt so genannt wird – gibt es wahrscheinlich schon. Seit es E-Commerce gibt, gibt es jemanden, der Retail-Media macht. Wir machen da relativ viel. Ich würde es jetzt nicht unbedingt so nennen. Es gibt natürlich immer Kooperationen, in denen man zusammenarbeitet in unterschiedlichen Konstellationen. Ein Teil von den Kooperationen ist immer: Was kann man auf der Marketingseite gemeinsam machen? Entweder wir für sie bei uns oder sie für uns bei sich. Und man muss auch eins sagen: Ja, da kann man ein Business draus machen. Ich glaube, das ist auch durchaus relevant. In der Vergangenheit war das ja immer eher in dem klassischen Marketing-Umfeld eher so ein stiefmütterlich behandeltes Thema. Man wollte das eigentlich immer gar nicht. Das, glaube ich, hat sich schon ein bisschen verändert über die letzten ein, zwei Jahre. Dass das jetzt auch offen angesprochen wird, auch von Brands, die man vielleicht gar nicht auf der Plattform hat. Aber im Grunde ist das ehrlicherweise schon seit je her, also auch, bevor ich da war, ein eigenständiger Bereich, der da sein Übriges dazu beiträgt, die Firma auch erfolgreich zu machen.
Stefan Hamann: Noch einmal eine Frage zu der Vernetzung von Retail und E-Commerce: Habt ihr da auch schon experimentiert und Dinge ausprobiert?
Martin Schwager: Das ist jetzt eine sehr breite Frage. Im Grunde ist ja bei uns alles theoretisch vernetzt. Ich mache einmal das Beispiel, bei uns gab es eigentlich nie eine Preisdifferenzierung zwischen E-Commerce und dem Store. Die Dinge werden direkt bis auf die digitalen Preisschilder durchgepusht. Im besten Falle funktioniert das auch reibungslos. Es passiert natürlich auch einmal, dass es irgendwie zeitlich ein bisschen auseinandergeht. Aber im Grunde ist das genauso vernetzt, wie wir Click-and-Collect natürlich anbieten, in unserem Fall nicht mit Picking im Store, sondern mit einem Zentralversand, wir Bezahlen online und dann nur noch Abholen anbieten, ohne dass man dann noch einmal extra bezahlen muss. Insofern: Ja, diese Vernetzung gibt es natürlich in beiden Richtungen. Kommt jetzt darauf an, in welche Richtung die Frage zielt. Da gibt es sicherlich noch einmal interessantere Punkte, wenn es um Aktionswaren geht, wo man schauen muss: Wie kann man das eigentlich noch ein bisschen besser vernetzen? Da differenzieren wird teilweise ein bisschen. Es gibt Aktionsprodukte, die gibt es tatsächlich dann nur in München oder nur in Berlin oder wo auch immer. Das ist aber, glaube ich, das einzige, wo wir tatsächlich ist die harte Differenzierung fahren. Ansonsten ist es tatsächlich so: Alles, was man online bekommt, bekommt man hoffentlich bei uns auch im Store. Wenn nicht immer vorrätig, dann bestellen, dann lassen die Kollegen das quasi im Click-and-Collect-Verfahren kommen.
Stefan Hamann: Die Frage ging tatsächlich auch in das Vernetzungsthema hinein. Spannend.
Marcus Diekmann: Absolut. Und was sind die nächsten großen Highlights, wenn du auf deine Roadmap guckst? Womit werdet ihr überraschen im nächsten Jahr? Wenn du überhaupt etwas sagen darfst. Was sind die Dinge, die du erwähnen darfst?
Martin Schwager: Ich glaube, eins, was ja schon gefallen ist, das wird aber wahrscheinlich nicht im ersten Schritt riesig überraschen. Vorhin ist, glaube ich, einmal in einer anderen Diskussion gefallen: Dinosaurier. Ich habe das auch schon ein paar Mal gesagt auf Vorträgen. Am Ende sind wir so ein bisschen E-Commerce-Dinosaurier. Wir haben sehr viel Legacy, die wir mitschleppen, und wir müssen natürlich ein bisschen renovieren an der ein oder anderen Stelle. Insofern: das, worauf ich mich persönlich freue, vielleicht beantworte ich es einmal so, ist sicherlich die Tatsache, dass wir versuchen, unseren jetzigen Legacy-Shop noch einmal abzulösen. Und ich glaube, der wird auch sehr viel Energie dann frei machen zusammen mit dem ERP-Wechsel, sodass wir auch einmal Themen angehen können: Coolblue kommt nach Deutschland, vielleicht kommen wir in die Niederlande wieder ein bisschen stärker, ohne dass das jetzt irgendwie auf unserer Agenda so genau drauf steht. Aber das sind durchaus Dinge, wo wir sagen: „Ja, wir müssen jetzt erst einmal unsere Hausaufgaben erledigen.“ Das sind die langweiligen Dinge. Und die langweiligen Dinge machen aber bei uns eine ganze Latte an anderen Dingen frei, auf die wir uns schon die ganze Zeit freuen und die wir so ein bisschen vor uns her schieben, weil wir uns einfach nicht übernehmen wollen. Weil wir wissen, wir müssen eins nach dem anderen machen, und das müssen wir gut machen. Wenn wir das nicht tun, dann holt uns das in der Kundenbewertung ein.
Marcus Diekmann: Absolut. Guter Ansatz. Sehr, sehr spannend. Noch einmal: Ihr seid, nicht ihr wart, ihr seid der absolute Vorreiter. Wir sagen es noch einmal: Fünftgrößter Online-Shop in Deutschland, das ist wirklich enorm, die Geschichte. Ich glaube, wir können alle extremst viel von euch lernen. Das finde ich spannend. Sag mir noch einmal zum Abschluss, weil wir nähern uns dem Ende: Anteil mobile, Anteil classic Desktop, Stöbern und Kaufabschluss, wie sieht es da aus?
Martin Schwager: Also, ich würde sagen, in der Information, ähnlich wie überall, 50/50, im Kaufabschluss signifikant weniger mobile. Da mag man aber auch unterstellen, vielleicht ist es eine self-fulfilling Prophecy, weil bei uns die mobile-Erfahrung noch nicht komplett ist. Das heißt, wir haben bestimmte Dinge, die gehen bei uns nur in der Desktop-Seite und bestimmte andere Dinge, die gehen nur mobile. Und je nachdem, was da wo stattfindet, kann das sein, dass wir quasi indirekt dadurch die Zahlen selbst ein bisschen verfälschen. Aber es wird mehr informiert auf mobile als gekauft, nach wie vor.
Marcus Diekmann: Ist bei uns auch die gleiche Erfahrung übrigens.
Michael Atug: Ich danke dir.
Stefan Hamann: Vielen Dank auch von meiner Seite, war ein extrem spannender Austausch. Den müssen wir auf jeden Fall mal wiederholen, sobald ihr mit dem neuen Shop dann online seid, denke ich.
Martin Schwager: Sehr gerne. Ich hoffe, da kann ich nur Positives berichten.